Ein Kommentar zu einer Tabelle der Mitgliedsstaaten der OIC und der Religion ihrer Einwohner – Ein statistisches Forschungsprojekt des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit

Thomas Schirrmacher, 2013

Eine etwas kürzere Version des Beitrages erschien als „In den Mitgliedsstaaten der Organisation Islamischer Kooperation (OIC) leben 320 Millionen Christen“. S. 170-178 in: Thomas Schirrmacher, Max Klingberg, Ron Kubsch (Hg.). Das Jahrbuch zur Verfolgung und Diskriminierung von Christen heute – 2013. Bonn: VKW, 2013. ISBN 978-3-86269-080-0. Der Artikel findet sich als PDF hier.

Cover In den Mitgliedsstaaten der Organisation Islamischer Kooperation (OIC) leben 300 Millionen ChristenDiesem Beitrag liegen zwei Tabellen zu Grunde, die alle Staaten der Organisation der Islamischen Kooperation (OIC) alphabetisch auflisten und dazu angeben, wieviel Einwohner Muslime sind und wie viele Nichtmuslime und schließlich nach der Zahl der Christen als Teilgruppe der Nichtmuslime fragt. Die beiden Tabellen stehen hier (2010) und hier (2012/2013) zur Verfügung.

Die Zahlen der ersten Tabelle wurden aus „The World’s Religions in Figure“, 2013, nach der World Religion Database, Stand Januar 2012, entnommen. „OW“ gibt jeweils alternative Zahlen der zweiten Tabelle aus „Operation World“, 2010, an.

Die 52 Mitgliedsstaaten und 5 Staaten mit Beobachterstatus der Organisation der Islamischen Kooperation (OIC) haben 1,77 Milliarden (OW: 1,8 Milliarden) Einwohner. 1,254 Milliarden (OW: 1,274 Milliarden) sind Muslime, also 70,8 % (OW: 70,1 %). 29,2 % (OW: 28,65 %) sind Nichtmuslime (= 0,52 Milliarden; OW: 0,51 Milliarden). Ungefähr zwei Drittel dieser Nichtmuslime sind Christen, also 333 Mio. (OW: 324 Mio.), was 18,8 % (OW: 18,6 %) der Einwohner der OIC-Staaten entspricht.

Rechnet man die Staaten mit Beobachterstatus heraus – was die OIC bei ihren Angaben der Zahl der Muslime, die sie vertritt, nicht tut –, sind es immer noch zusammen 1,56 Milliarden (OW: 1,58 Milliarden) Einwohner. 79,4 % (OW: 79,1 %) davon sind Muslime (= 1,24 Milliarden; OW: 1,25 Milliarden) und 20,6% (OW: 20,5 %) sind Nichtmuslime (= 429 Mio.; OW: 323 Mio.), die Untergruppe der Christen machen 13,5 % (OW: 14,2 %) der Bevölkerung aus (= 210,8 Mio.; OW: 224 Mio.).

Da die OIC per Definition sich nur für den Islam und für Muslime einsetzt, werden also mehr als eine halbe Milliarde Menschen hier von einer Organisation vertreten, die ihre Rechte ignoriert oder sogar verneint.

Die Webseite der OIC sagt (hier übersetzt, Stand: 12.06.2013):

„Die Organisation ist die kollektive Stimme der muslimischen Welt.“ „Die Organisation hat die einzigartige Ehre, die Ummah in einen geeinten Körper zusammenzuschmieden und aktiv die Muslime zu repräsentieren, indem sie alle Anliegen aufgreift, die den über 1,5 Milliarden Muslimen aus dem Herzen sprechen.“

Es scheint also so, als wenn die OIC ihre nichtmuslimischen Bürger einfach als Muslime zählt. Und es ist sowieso klar, dass sich die OIC nicht für die Interessen ihrer nichtmuslimischen Bürger einsetzt, sondern diese vielmehr für die Ausbreitung des Islam durch ihre Steuern mit bezahlen lässt. Der intensive Einsatz der OIC bei den Vereinten Nationen – die OIC sind immerhin der größte Staatenverband neben der UN – gilt seit Gründung bis in die Gegenwart ausschließlich dem Islam.

Die merkwürdigsten Mitglieder der OIC sind solche, in denen Muslime gar nicht die Bevölkerungsmehrheit stellen. Man schaue sich einmal den Anteil der Muslime an der Gesamtbevölkerung in folgenden Mitgliedsstaaten der OIC an:

  • Benin 24,5 % (OW: 23,5 %) Muslime
  • Kamerun 20 % (OW: 26 %)
  • Cote dÍvoire (Elfenbeinküste) 40,6 % (OW: 41,8 %)
  • Gabun 10,2 % (OW: 10 %)
  • Guyana 7,5 % (OW: 9,4 %)
  • Mozambique 17,5 % (OW: 18,6 %)
  • Nigeria 45,5 % (OW: 45,1 %)
  • Surinam 15,9 % (OW: 16,9 %)
  • Togo 18,3 % (OW: 17,5 %)
  • Uganda 11,7 % (OW: 11,5 %)

[Dazu kommen folgende Staaten mit Beobachterstatus ohne muslimische Bevölkerungsmehrheit:

  • Russland 10,4 % (OW: 12,5 %) Muslime
  • Thailand 5,9 % (OW: 7,9 %)
  • Zentralafrikanische Republik 13,7 % (OW: 13,8 %)]

Warum sind diese Staaten Mitglied der OIC? Warum bezahlen und arbeiten sie für die ausschließliche Ausbreitung des Islam und seinen Schutz und gegen die Interessen der Mehrheit ihrer Bürger?

Man überlege einmal, es gäbe einen der OIC entsprechenden Zusammenschluss christlicher Staaten, Nigeria wäre dort Mitglied und würde nur für die Ausbreitung des Christentums arbeiten und die Millionen muslimische Bürger wie nicht existent behandeln!

Ich würde gerne einen weiteren Gedanken hinzufügen. Die OIC setzt sich selbsterklärtermaßen noch nicht einmal für die muslimischen Minderheiten in den eigenen Ländern ein. Die OIC setzt sich nur für muslimische Minderheiten in nichtislamischen Ländern ein. Und auch hier setzt sie sich nur für die Anhänger des Mehrheitsislams ein, nicht für andere muslimische Richtungen, geschweige denn als ‚Sekten‘ angesehene Gruppen im Islam. In der englischen Wikipedia heißt es treffend (Stand: 17.8.2012):

„Die OIC wurde dafür kritisiert, dass sie ihre Aktivitäten auf die muslimischen Minderheiten in mehrheitlich nichtmuslimischen Ländern konzentriert, während sie die Behandlung ethnischer Minderheiten in Ländern mit einer muslimischen Mehrheit mit einem Tabu belegt, so etwa der Kurden in Syrien, die Ahwasen im Iran, die Hazaras in Afghanistan, die Belutschen in Pakistan, die Achdam im Jemen oder die Berber in Algerien.“

Die Wikipedia hätte als Beleg die klare Ansage aus der Charta der OIC zitieren können, wo als ein Ziel der OIC genannte wird: „die muslimischen Minderheiten und Gemeinschaften außerhalb der Mitgliedsstaaten zu unterstützen und ihre Würde und ihre kulturelle und religiöse Identität zu bewahren.“ (http://www.oic-oci.org/page_detail.asp?p_id=53). (Bestätigt wird dies zusätzlich durch den Bericht des Generalsekretärs der OIC, Ekmleddin Ihsanoglu in seinem Hauptwerk (The Islamic World in the New Century: The Organisation of the Islamic Conference. Columbuia University Press: New York, 2010. 127-142).

Internationale Menschenrechtsrankings und die OIC

Ein Gang durch die einschlägigen internationalen Rankings im Bereich der Menschenrechte zeigt schnell, dass die Staaten der OIC sich als allererstes gegenseitig ermahnen sollten, die Würde und Menschenrechte ihrer Bürger zu schützen. Folgend einige Beispiele (diese Indices sind alle unter ihrem Namen im Web zugänglich und werden deswegen nicht einzeln belegt):

Der Demokratieindex (‚Democracy Index‘) (2011) listet nicht einen Mitgliedsstaat der OIC als volle Demokratie (‚Full Democracy‘) auf, und nur 3 der 57 OIC-Staaten werden als gestörte Demokratie (‚Flawed Democracy‘) gelistet, der Rest fällt unter autoritäre und unter hybride Regime (‚Authoritarian Regime‘, ‚Hybrid Regime‘). Beschränkt man sich nur auf die Länder mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit, sieht die Lage noch schlechter aus.

Der Freedom in the World Report (2010), der die politischen und zivilen Freiheitsrechte untersucht, listet nur 3 Mitgliedsstaaten der OIC als ‚Frei‘.

Der Pressefreiheitsindex (‚Press Freedom Index‘) (2011) von „Reporters Without Borders“ stuft unter den 57 Mitgliedsländern der OIC nur Mali und Suriname unter ‚Befriedigende Situation‘ (‚Satisfactory Situation‘) ein. Alle anderen Mitgliedsstaaten werden unter ‚Nennenswerte Probleme‘ und ‚Schwerwiegende Lage‘ (‚Noticeable Problems‘, ‚Very Serious Situation‘) eingestuft.

Die globalen Rankings zur Einschränkung der Religionsfreiheit des PEW Forum on Religion & Public Life oder des Hudson Instituts zeigen, dass die OIC-Mitgliedsstaaten, die eine muslimische Mehrheit haben, überwiegend zu den Ländern mit der stärksten Beschränkung der Religionsfreiheit gehören und dass diese Beschränkungen zwischen 2009 und 2011 insgesamt zugenommen haben (siehe „Global Restrictions on Religion“, Pew Forum on Religion & Public Life, Dezember 2009. S. 49-52; „Rising Restrictions on Religion“, Pew Forum on Religion & Public Life, August 2011; Hudson Institute’s Center for Religious Freedom: Paul A. Marshall. Religious Freedom in the World. Plymouth UK, 2008. S. 5-7).

Nach der neuesten Untersuchung der US Commission on International Religious Freedom, die sich rein auf den schriftlichen Stand der Verfassungen und Gesetze bezieht, nicht auf die reale Umsetzung, und die nur die Staaten umfasst, in denen der Islam die Mehrheitsreligion darstellt, haben 18 der Länder den Islam zur Staatsreligion und die Scharia als oberste Norm erklärt, 4 nennen nur die Scharia und 1 nur den Islam als Staatsreligion.

Zusatz zur OW-Tabelle bezüglich des Süd-Sudan: Von der Gesamtzahl ist die geschätzte Zahl der Einwohner usw. des Süd-Sudan abzuziehen (10 Mio. Einwohner, 220.000 Muslime, 9,8 Mio. Nichtmuslime einschließlich 7,7 Mio. Christen). Die zugänglichen Zahlen stammen alle noch aus der Zeit vor der Teilung, deswegen wurde die Zahl für den (Nord-)Sudan eigens ermittelt. [Die Tabelle aus „The World’s Religions in Figures“ trennt bereist nach Nord- und Südsudan.]

iirf_bulletin_2016_3

PDF-Download

 

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert