Der Grünen-Politiker Christopher Kerkovius (69) aus der Nähe von Stralsund (Mecklenburg-Vorpommern), der dort einst für den Landtag kandidierte, hat auf Facebook die Frage gestellt, warum die NSU nicht wenigstens den Bundeswirtschaftsminister und FDP-Vorsitzenden Philipp Rösler ausgeschaltet hätte, wohl wegen seiner vietnamesischen Herkunft. In seiner typisch rassistichen Sprache spricht er nur von „solche“.
Erstaunlicherweise bleibt es in den Medien verhältnismäßig ruhig, die Grünen kommen nicht ins Kreuzfeuer, zumal Kerkovius aufgrund von Protesten inzwischen aus seiner Partei ausgetreten ist. Bündnis90/Die Grünen verhält sich erstaunlich still – was hätten sie alles in Bewegung gesetzt, wenn es ein Politiker einer anderen Partei gewesen wäre. Hätte sich ein Konservativer eine solche Ungeheuerlichkeit geleistet, wäre die Sache ganz anders hochgekocht und an der dazugehörigen Partei kleben geblieben.
Die „linken“ Medien sehen eben Rassismus nur „rechts“, linker Rassismus – man denke an Oskar Lafontaines Ausrutscher gegenüber Osteuropäern [s. mein Buch „Rassismus“, S. 96-97] – muss irgendwie eine Täuschung sein und hat vermeintlich nie etwas mit dem politischen Lager der Rassisten zu tun.
Der inzwischen gelöschte Eintrag hat wohl so ausgesehen – Kerkovius hat das auch nicht bestritten:
„Rösler meint, eine 4 € Lohnuntergrenze reicht für die Menschen … Wenn DAS kein Fake ist, dann gehört er …, dann gehört er …, dann gehört er …!!! Ich darf´s leider nicht aussprechen oder schreiben. Ich habe den Eindruck, dann müsste man selbst Westerwelle heilig sprechen. … Schade, dass die NSU-Gruppe sich nicht solche vorgenommen hat, denn das wäre nicht so schlimm.“
Selbst wenn man sich vorstellt, dass jemand im ersten Ärger etwas sehr Emotionales bei Facebook schreibt. Was im Ärger raus kommt, ist doch bei uns allen vorher irgendwie schon da. Jedenfalls fällt es mir schwer zu glauben, dass jemand, der anschließend behauptet, er sei kein Rassist und habe sich für Asylanten eingesetzt (ja und – ist Rösler etwa Asylant?), aus heiterem Himmel solchen Unsinn denkt.
Ich jedenfalls bin noch nie auf die Idee gekommen, das die Positionen der Berliner Politiker etwas mit ihrer Herkunft zu tun habe. Özdemir ist doch nicht weniger oder mehr „Grün“ als seine „deutsche“ Amtskollegin. Rösler ist nicht mehr oder weniger „Gelb“ als seine deutschen FDP-Minister-Kollegen und Kolleginnen. Was muss in einem vorgehen, um Röslers Position zum Mindeslohn mit seinen vietnamesischen Wurzeln in Verbindung zu bringen? Könnte man dann nicht ebenso alle Männer hassen, da Rösler ein Mann ist, alle Katholiken, weil Rösler katholisch ist, alle Wessis, da Rösler ein Wessi ist?
Dass Kerkovius seinen Wutanfall zudem noch einer SPD-Ente verdankt, Rösler sei der Meinung, 4 Euro reichen als Stundenlohn, macht die Sache noch dubioser. Ein Politiker, der so leicht wütend wird, dass er keine Zeit hat, nachzufragen, ob sein Hassobjekt wirklich gesagt hat, was er angeblich gesagt haben soll?
Dass Kerkovius genau zum Zeitpunkt des Beginns der NSU-Prozesse zu „Beates Helfer“ wurde (so im Web genannt) und ja nicht nur Rösler beleidigt, sondern rassistisches Morden grundsätzlich zu rechtfertigen scheint, zeigt, dass ‚Rechtsextremismus’ eben auch links zu finden ist, wenn man auf dem linken Auge nicht blind geworden ist.
„Es tut mir unendlich leid, dass (…) ich so aus der Fassung geraten bin. Ich finde es selbst völlig inakzeptabel und schäme mich dafür und bitte alle, die ich damit verletzt habe, um Verzeihung!“
Nach Beschwerden löschte Kerkovius seinen Eintrag, seine Entschuldigungen – keine davon bei Rösler! – klingen aber so dumb wie der gelöschte Text. Er sei eben „ungeheuer verbittert über den ethisch und sozial verkommenen Zustand unserer globalen Gesellschaft“. Und das rechtfertigt sein Verständnis für die NSU? Was zudem weiter heißt, die Deutschen nichtdeutscher Herkunft in unserem Land sind Schuld an der Lage unserer Landes? Wenn wir einen Bundeswirtschaftsminister mit Ariernachweis hätten, ginge es uns sicher besser?
Und wenn das ganze keinen rassistischen Hintergrund hatte und er mit „solche“ Menschen gemeint hat, die den Mindestlohn zu niedrig ansetzen? Einem Konservativen hätte man das eh nicht geglaubt. Aber Kerkovius hätte dann doch wenigstens selbst erklären können, wen er mit „solche“ denn dann gemeint hat.
Merke: Rassismus ist zum Kotzen, gleich ob er von links oder rechts, von oben oder unten, von hinten oder vorne kommt. Und alle Rassisten sollten gleich behandelt werden und keinen Bonus bekommen, wenn sie dem richtigen politischen Lager angehören. Und alle, die sich so missverständlich ausdrücken und dass auch nicht umformulieren, sollten auch gleich behandelt werden.