Podiumsgespräch in der Abtei Brauweiler zu Antisemitismus anlässlich des Jahrestages zum Ende des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai 1945
Die Islamwissenschaftlerin Prof. Dr. Christine Schirrmacher referierte im Rahmen einer Podiumsdiskussion in der Abtei Brauweiler über historische und politische Ursachen für die anti-jüdischen und anti-semitischen Demonstrationen in Deutschland angesichts des terroristischen Angriffs der Hamas auf jüdische Zivilisten in Gaza am 7. Oktober 2023.
Die Geschichte der Koexistenz von Juden und Muslimen im Nahen Osten sei wechselvoll gewesen, Zeiten einer begrenzten Toleranz wechselten sich ab mit Pogromen und Vertreibungen der jüdischen Minderheit, insbesondere nach der Staatsgründung Israels 1948. Die (ägyptische) Muslimbruderschaft war nach ihrer Gründung 1928 auch in Palästina sehr aktiv, führte Anschläge durch und lehnte die Existenz von Juden in Palästina ab. Bis 1967 wurde der Gazastreifen von Ägypten verwaltet. Erst 1987 wurde nach der Ersten Intifada die Hamas als eigener Zweig der Muslimbruderschaft gegründet. Daher ist der jetzige Gewaltausbruch gegen jüdische Zivilisten nicht nur als Umsetzung des 1988 in der Hamas-Charta erklärten Vernichtungswillens gegenüber jüdischem Leben zu sehen, sondern auch im Einklang mit den Zielen der Muslimbruderschaft seit 1928, also schon lange vor der Staatsgründung Israels.
Am 8. Mai 2024 jährte sich das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa zum 79. Mal. Mit der Erinnerung an das Kriegsende verbunden ist die Frage nach der Entwicklung des jüdischen Lebens in Deutschland nach 1945. Aus dieser Perspektive heraus, die auch den aktuell erstarkenden Antisemitismus in den Blick nimmt, luden der Landschaftsverband Rheinland (LVR), die Synagogen-Gemeinde Köln, die katholische Pfarreiengemeinschaft Brauweiler-Geyen-Sinthern und der Freundeskreis Abtei Brauweiler e. V. den Vorstand des Zentralrates der Juden in Deutschland und prominente Experten zu einem Podiumsgespräch „Jüdisches Leben in Europa nach dem Holocaust. Rückblicke und Ausblicke“ ein.
Der „Kaisersaal“ im Kloster Brauweiler wurde dabei bewusst gewählt, da dort in Kürze die neue Ausstellung der NS-Gedenkstätte eröffnet werden sollte (und inzwischen eröffnet wurde). 300 vom früheren KZ Brauweiler aus weiterdeportierte Juden lassen sich in den Akten des Konzentrationslagers Dachau nachweisen. Der Verbleib von 300 weiteren jüdischen Häftlinge ist nicht geklärt. Brauweiler war zugleich Arbeitsanstalt und Jugendverwahranstalt des Landschaftsverbandes Rheinland, Frauengefängnis und Gestapo-Gefängnis, wobei die Funktionen im Alltag kaum auseinandergehalten wurden, Zellen und Wachpersonal waren dieselben für alle Funktionen. Die Haftdauer betrug in der Regel nur wenige Wochen. Nur die inhaftierten Jugendlichen, zumeist Kinder kommunistischer Eltern, verbrachten die gesamte NS-Zeit dort. Bekanntester Häftling war für zwei Monate im Jahr 1944 Konrad Adenauer. Seine Frau Auguste („Gussi“) starb 1948 an den psychischen Folgen eines Selbstmordversuches in der Haft in Brauweiler, so zumindest die Mehrheit der Forscher.
Die von der Polizei massiv geschützten, geladenen Gäste wurden durch Ulrike Lubek, Direktorin des Landschaftsverbandes Rheinland, begrüßt. Es folgten Einführungen von Pfarrer Peter N. Cryan sowie Prof. Dr. Jürgen Rüttgers, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und Bundesminister a. D. sowie Vorsitzender des FAB. Im Podiumsgespräch begegneten sich Dr. Karl Jüsten (Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe – Katholisches Büro in Berlin), Prof. Dr. Christine Schirrmacher (Institut für Orient- und Asienwissenschaften, Universität Bonn) und Dr. Josef Schuster (Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland). Die Journalistin und Autorin Susanne Fritz moderierte das Gespräch, das nicht nur die Erscheinungsformen des Antisemitismus beleuchtete, sondern auch einen Blick auf die damit einhergehenden Herausforderungen in unserer demokratischen Gesellschaft werfen sollte.
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