Thomas Schirrmacher, einer der besten Kenner der evangelikalen (und der religiösen) Szene weltweit, hat eine umfangreiche Kritik zum „Handbuch Evangelikalismus“ veröffentlicht. Er tut dies einerseits als Religionssoziologe, der selbst an der Forschung beteiligt ist, und andererseits auch als Repräsentant der Weltweiten Evangelischen Allianz. Schirrmacher geht sowohl auf das gesamte Handbuch als auch auf die Kapitel und Einzelthemen ausführlich ein. Generell kommt er zu dem Schluss:
Unter „Ziel und Anspruch des Handbuchs“ heißt es:
„Als erstes deutschsprachiges Handbuch zum Thema Evangelikalismus ist der Anspruch dieses Bandes, einen systematischen Überblick über historische Entwicklungslinien, geografische Besonderheiten und zentrale Themen zu geben. … Ziel ist es, das Thema Evangelikalismus in seiner historischen Tiefe, globalen Ausbreitung und sozialen Vielgestaltigkeit systematisch durch Überblicksartikel in den Blick zu nehmen.“
Diesem Anspruch wird das Buch nicht gerecht. Und zwar nicht deswegen, weil es Mangel an Informationen gäbe. Weite Bereiche, zu denen längst gründliche Untersuchungen vorliegen, werden trotzdem nicht dargestellt oder so, als wüsste man noch nicht viel. Thematisch steht eher im Vordergrund, was die einzelnen Autoren bisher jeweils selbst behandelt haben, nicht ein Überblick über vorhandene Forschung.
Der historische Anspruch wird nicht eingelöst
Der historische Anspruch wird nicht eingelöst, denn nennenswerte Ausführungen zu historischen Entwicklungslinien finden sich eigentlich nur für die USA, Großbritannien und Deutschland, wobei sie für Deutschland nur verstreut zu finden sind und nicht systematisch erfolgen. Die Institutionengeschichte der Evangelikalen und die Geschichte der Weltweiten Evangelischen Allianz seit 1846 fehlen völlig.
Der geografische Anspruch wird nicht eingelöst
Der geografische Anspruch wird nicht eingelöst. Alle Evangelikalen der Länder mit mehr als 2,5 Millionen Evangelikalen – mit Ausnahme der allgegenwärtigen USA und zum Teil von Brasilien – werden nicht näher behandelt. Große Länder wie China, Indien, Indonesien, Korea, Nigeria, Südafrika oder Argentinien sind nur einige Beispiele. So gibt es etwa zu Chinas 85 Millionen Evangelikalen, Pfingstlern und Protestanten eine ganze Bibliothek voll wissenschaftlicher und sonstiger Untersuchungen auf Chinesisch und Englisch, und die deutschsprachige katholische Zeitschrift „China heute“ berichtet seit Jahrzehnten minutiös über deren Entwicklung. Im Handbuch werden diese Untersuchungen aber noch nicht einmal gestreift.
Der systematische Anspruch wird nicht eingelöst
Der systematische Anspruch wird nicht eingelöst, weil weite Bereiche der Forschung nicht oder nur kursorisch thematisiert werden.
Die ausführliche Rezension kann hier als PDF und als WEA Bulletin Nr. 4/August 2019 heruntergeladen werden.
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