Großmufti und Bischof wenden sich gemeinsam gegen das Blasphemiegesetz

Der stellvertretende Generalsekretär der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA), Thomas Schirrmacher, und die bei der WEA für Fragen des Islam zuständige Bonner Islamwissenschaftlerin, Christine Schirrmacher, haben den Großmufti von Lahore, Maulana Abdul Khabir Azad, besucht. In dessen 1671–1673 errichteten Badschahi Moschee beten freitags bis zu 100.000 Menschen. Es ist die größte Moschee Pakistans, die zweitgrößte in Südasien und die fünftgrößte weltweit.

Großmufti Azad und Bischof Schirrmacher im Gespräch © BQ / Warnecke

Großmufti Azad und Bischof Schirrmacher im Gespräch © BQ / Warnecke

Schirrmacher dankte dem Großmufti, dass er sich mehrfach einem muslimischen Mob in den Weg gestellt habe, der christliche Häuser anstecken wollte, und dass er häufiger nach Anschlägen auf Christen seine Solidarität gezeigt habe, in dem er die Schauplätze der Verbrechen aufsuchte und den islamischen Extremismus verurteilt habe.

Themen des rund vierstündigen Besuches waren daneben die wesentlichen Unterschiede zwischen Islam und Christentum, die Lage der religiösen Minderheiten in Pakistan, das Blasphemiegesetz Pakistans und die Sklaverei zur Ziegelherstellung.

Großmufti Azad und Bischof Schirrmacher waren sich darin einig, dass es in Pakistan inzwischen von Extremisten als Blasphemie angesehen werde, das Blasphemiegesetz nur zu kritisieren. Minister, Gouverneure, oberste Richter wurden gleichermaßen deswegen umgebracht oder bedroht. Auch der Großmufti berichtete von seiner ständigen Gefährdung und lebt unter massivem Polizeischutz.

„Maulana Abdul Khabir Azad ist Großimam der Badshahi Moschee in Lahore/Pakistan. Er ist Vorsitzender des Interreligiösen Rates für Frieden und Harmonie, Vorsitzender von Tanzeem Aiema Masajid Council Pakistans, Majlas-e-Ulama Council Pakistans. Seit 20 Jahren ist er im interreligiösen Dialog engagiert. Als leidenschaftlicher Förderer von Harmonie und Frieden unter den Religionen und Kulturen, insbesondere zwischen Christen und Muslimen, setzt er sich für den Dialog sowohl in Pakistan als auch international ein.“ (www.forum-weltkirche.de)

Christine Schirrmacher bei einem Vortrag vor pakistanischen Anwälten © BQ / Warnecke

Christine Schirrmacher bei einem Vortrag vor pakistanischen Anwälten © BQ / Warnecke

Neben dem Großmufti trafen sich Christine und Thomas Schirrmacher mit dem Erzbischof der anglikanisch-lutherischen Kirche, weiteren Leitern protestantischer Kirchen und dem Vorstand der Evangelischen Allianz von Pakistan. Außerdem hielten sie Gastvorlesungen, interviewten Sklaven in einer Ziegelei und hielten ein Seminar über Menschenrechte zusammen mit der pakistanischen Rechtsanwaltsvereinigung „The Voice“ ab.

Auszug aus einem Interview des Forum Weltkirche mit dem Großmufti

„Meiner Meinung nach ist der interreligiöse Dialog von höchster Bedeutung in der heutigen Welt, die zu einem globalen Dorf geworden ist. Überall kommen Menschen unterschiedlicher Religionen zusammen. Auch für Pakistan ist dieser Dialog eminent wichtig, da auch hier Menschen unterschiedlicher Religionen zusammenleben, seien es Muslime, Christen, Hindus oder Gläubige anderer Religionsgemeinschaften. Als Pakistan gegründet worden ist, wurde versichert, dass alle Bürger des Landes in Frieden miteinander in diesem Land leben können, ganz gleich wer sie sind und welcher Religion sie angehören. Alle Menschen sollen in Sicherheit leben können. Unsere Vorfahren haben zusammen für die Unabhängigkeit Pakistans gekämpft. Es ist schrecklich, dass der Terrorismus in der Welt von heute einen Aufstieg erlebt und Spaltungen zwischen den Menschen erzeugt. Pakistan bildet diesbezüglich keine Ausnahme.“

Beim Verlassen der Moschee © BQ / Warnecke

Beim Verlassen der Moschee © BQ / Warnecke

„Durch den Dialog wollen wir Barrieren einreißen und gute Beziehungen sowie Harmonie zwischen den Menschen unterschiedlicher Religionen in Pakistan errichten. Mein Vater, Maulana Dr. Muhammad Abdul Qadir Azad, der ebenfalls Großimam der Badshahi Moschee in Lahore war, hat zutiefst die Notwendigkeit verspürt, sich für den Dialog in Pakistan einzusetzen. Aus diesem Grund hat er … die Initiative ergriffen und den Dialog gefördert. Mein Vater hat sich auf den Weg gemacht, um diejenigen Menschen zu treffen, die aufgrund sektiererischer und religiöser Gewalt zu leiden hatten. Er ging nach Shanti Nagar, ein christliches Dorf, das von gewaltbereiten muslimischen Fanatikern angegriffen worden war. (Anm. d. Red.: im Jahr 1997 hat ein aufgebrachter Mob muslimischer Fanatiker dieses Dorf angegriffen; etwa 800 Häuser wurden zerstört, vier Kirchen und Gotteshäuser angezündet, 85 Prozent der Einwohner haben ihr gesamtes Hab und Gut verloren.) Mein Vater drückte den Opfern dieses furchtbaren Angriffes seine Solidarität aus, trauerte zusammen mit den Christen um die Opfer und verurteilte aufs Schärfste diese Gewalt. Es gab eine Zeit, in der Kirchen als nicht sicher angesehen wurden. Heute muss man sagen, dass sowohl Kirchen als auch Moscheen keine Sicherheit mehr bieten.“

„Mein Vater und ich haben eng mit dem Dominikaner Fr. James Channan zusammengearbeitet, um den Dialog und die Harmonie in den vergangenen Jahren zu fördern. Unsere gemeinsamen Bemühungen haben einige positive Resultate hervorgebracht. Wir sind heute in der Lage, Muslime, Christen, Hindus und Sikhs unter einem Dach zu versammeln. Fr. James Channan spielt in diesem Zusammenhang eine ganz wichtige Rolle. Wir haben Konferenzen durchgeführt, die sich mit der Frage der Förderung des Friedens auseinandersetzten, zusammen haben wir Pressekonferenzen durchgeführt, um Angriffe auf christliche Kirchen und Wohnviertel gemeinsam zu verurteilen. Wir haben zusammen Weihnachten und Eid-al-Fitr gefeiert. Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, dass ich zusammen mit anderen muslimischen Führern unsere Solidarität mit Christen zum Ausdruck gebracht habe, die Opfer von Gewalt geworden sind. Ich nenne an dieser Stelle ein Wohnviertel der Christen in Lahore, Joseph Colony, das im vergangenen Jahr durch einen aufgebrachten Mob muslimischer Fanatiker fast vollkommen zerstört worden ist, oder auch das christliche Wohnviertel in Gojra; auch haben wir den Christen in Sangla Hill, die im Jahr 2005 von muslimischen Extremisten angegriffen worden sind, unsere Solidarität zum Ausdruck gebracht, sie mit Hilfsgütern versorgt und ihnen Zuflucht und Unterkunft geboten. Im Jahr 2001 bin ich zur Kirche St. Dominic in Bahawalpur geeilt, nachdem Extremisten 16 Menschen umgebracht hatten. Es war eine große Tragödie. Es ist höchste Zeit, sowohl auf globaler als auch lokaler Ebene, dass wir uns gemeinsam für diese noble Sache des Dialogs einsetzen. Unsere Mission ist es, Harmonie in dieser Welt zu errichten.“ (Quelle: Forum Weltkirche)


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