Der Präsident der Konferenz der europäischen Rabbiner, Pinchas Goldschmidt, ist mit dem Karlspreis der Stadt Aachen geehrt worden
Bischof Thomas Paul Schirrmacher, Präsident der International Society for Human Rights und des International Institute for Religious Freedom, und Dr. Sorin Mureșan, Geschäftsleiter der Gebende Hände gGmbH, gehörten zu den ersten Gratulanten, die dem Vorsitzenden der Europäischen Rabbinerkonferenz, Pinchas Goldschmidt, zum Empfang des Internationalen Karlspreises in Aachen gratulierten.
Pinchas Goldschmidt, geboren 1963, war von 1993 bis 2022 Oberrabbiner der Moskauer Chorsynagoge in Russland. Außerdem gründete und leitet er seit 1989 das Moskauer Rabbinatsgericht der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) und ist seit 2011 Präsident der Konferenz Europäischer Rabbiner (CER), die mehr als siebenhundert kommunale Rabbiner von Dublin bis Chabarowsk vereint.
Bischof Schirrmacher gehört auf Einladung von Goldschmidt dem Beirat des Instituts für Glaubensfreiheit und Sicherheit in Europa (IFFSE) in Brüssel an, das von der Konferenz der Europäischen Rabbiner verantwortet wird. Er hatte sich bereits vor dem Festakt mit dem Preisträger getroffen, der gemeinsam mit seiner Frau Dara, seiner Mutter Elisabeth und weiteren Familienmitgliedern aus den USA und Israel nach Aachen gekommen war.
Schirrmacher unterstrich, dass die Ehrung nicht nur ein notwendiges Zeichen der Solidarität mit den jüdischen Mitbürgern in ganz Europa sei, sondern einen Mann würdige, der trotz vieler Anfeindungen und widrigster Umstände – wie die Notwendigkeit Moskau zu verlassen – einen auf Frieden und Zusammenarbeit angelegten Dialog geführt habe, wie kaum andere Europäer.
In der Begründung der Jury für die Preisverleihung heißt es:
„In Würdigung seines herausragenden Wirkens für den Frieden, die Selbstbestimmung der Völker und die europäischen Werte, für Toleranz, Pluralismus und Verständigung, und in Anerkennung seines bedeutenden Engagements für den interreligiösen und interkulturellen Dialog ehrt das Direktorium der Gesellschaft für die Verleihung des Internationalen Karlspreises zu Aachen im Jahr 2024 den Präsidenten der Konferenz der europäischen Rabbiner, Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, und gemeinsam mit ihm die jüdischen Gemeinschaften in Europa. Das Karlspreisdirektorium will mit dieser Auszeichnung das Signal setzen, dass jüdisches Leben selbstverständlich zu Europa gehört und in Europa kein Platz für Antisemitismus sein darf. Jüdisches Leben ist ein wichtiger Teil der europäischen Geschichte und Gegenwart – jetzt und in Zukunft.“
Bei der Preisverleihung im Krönungssaal des Aachener Rathauses betonte Goldschmidt vor 700 geladenen Gästen:
„Der Antisemitismus war nie tot; aber seit dem islamistischen Pogrom gegen Israel am 7. Oktober 2023 ist er in einer Art und Weise entfacht, die die Sicherheit und Freiheit jüdischen Lebens – gerade auch in Europa – ernsthaft bedroht.“
Die beiden Preisreden hielten Robert Habeck, Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland, und Edi Rama, Ministerpräsident der Parlamentarischen Republik Albanien. Habeck stellte in seiner Laudatio fest:
„Einerseits müssen wir der Tatsache ins Auge sehen, dass das Judentum nie einen sicheren Platz in Europa hatte, dass Antisemitismus in die Geschichte Europas eingraviert ist und sich auch nach 1945 nicht einfach aufgelöst hat.“
An Goldschmidt gewandt sagte er:
„Die Bibel, schreiben Sie, lieber Herr Goldschmidt, die Wurzel unseres gemeinsamen jüdisch-christlichen Erbes, spricht immer wieder von der Bedeutung, ‚den Fremden‘ willkommen zu heißen. Auch dies ist ein Teil unserer europäischen Identität. Wenn wir uns zu einer gemeinsamen Identität bekennen, dann sollten wir uns auch darum bemühen, sie mit anderen zu teilen.“
Edi Rama fragte in seiner Preisrede:
„Welche Form kann Toleranz haben, in einer Zeit der steigenden Intoleranz?“, und sieht dabei Europa in einem Dilemma: „Denn Angst vor dem Bösen heißt auch, die Intoleranz zu fördern.“ Menschen wie Pinchas Goldschmidt seien Brückenbauer zur Menschlichkeit. Gespräche suchen, Konflikte mit Respekt lösen, sich selbst reflektieren, tolerant sein – das alles sei alternativlos, „auch wenn es bedeutet, dass wir hin und wieder unsere Komfortzone verlassen müssen. Wir müssen uns mit der Komplexität der Geschichte auseinandersetzen, damit die echten Waffen nie wiederkommen. Denn nur eine Form der Toleranz kann uns schützen: Das Vertrauen in die Menschlichkeit“.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) würdigte Goldschmidt mit den Worten:
„Goldschmidt kam am 21. Juli 1963 in Zürich zur Welt. Sein Studium führte ihn in die USA und nach Israel, wo er auch als Rabbiner ordiniert wurde. 1988 zog er mit Frau und Kindern nach Moskau, um nach den Verheerungen der Sowjetzeit mitzuwirken am Wiederaufleben der jüdischen Gemeinde. 1993 wurde er Oberrabbiner der russischen Hauptstadt – und blieb es bis 2022. Den völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine benannte der unerschrockene Rabbiner umgehend als das, was er ist: eine Katastrophe nicht nur für die Ukraine, sondern auch für Russland und für die jüdischen Gemeinden dort. Goldschmidt ging mit dieser Positionierung ein hohes Risiko ein. […] Um Schaden von der Gemeinde abzuwenden, trat Goldschmidt als Oberrabbiner zurück und verließ Russland. Seither lebt er in Israel und in München, wohin die Europäische Rabbinerkonferenz im September ihren Hauptsitz verlegte. […] Unerschrocken kämpft er für Toleranz und interreligiösen Dialog. Trotz allem glaubt Pinchas Goldschmidt an die Kraft des interkulturellen und interreligiösen Dialogs. Goldschmidt, der 2015 zu den Mitgründern des europäischen Muslim-Jewish Leadership Council zählte, war auch diese Botschaft schon vorab wichtig: Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober brauchten die moderaten Muslime die Unterstützung der Zivilgesellschaft und der europäischen Regierungen.“
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