Papst Franziskus hat bei seinem Besuch des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Genf zu dessen 70-jährigem Jubiläum neben vielen freundlichen Worten den ÖRK ermahnt, die Aufgabe der Evangelisation und Mission wieder an die erste Stelle zu setzen. Evangelisation und ökumenische Einheit hätten bei der Gründung des ÖRK zusammengehört, und es sei weiterhin wahr, dass es keine echte Einheit der Kirchen ohne das Anliegen gäbe, dass alle Menschen das Evangelium hören.

Dieses Foto wurde exakt während der oben wiedergegebenen Teile der Rede des Papstes von meinem Platz aus aufgenommen © Thomas Schirrmacher

Dieses Foto wurde exakt während der oben wiedergegebenen Teile der Rede des Papstes von meinem Platz aus aufgenommen © Thomas Schirrmacher

Ich saß drei Meter vom Pult entfernt, als der Papst diese überraschenden Worten sagte (siehe Foto), aber ich musste bis jetzt warten, bis alle Texte offiziell erschienen sind und übersetzt wurden. Deutlicher hätte es die Weltweite Evangelische Allianz (WEA) auch nicht sagen können. In aller Freundschaft und in dem Wissen, dass der ÖRK grundsätzlich Mission wieder ernst nimmt, und die Missionskommission des ÖRK in ihrem neuesten Missionsdokument von 2012/2013 dem Begriff ‚Evangelisation‘ eine prominente Rolle einräumt, kann man den Anfragen des Papstes nur zustimmen.

Die WEA stellt das aber nicht triumphierend fest, sondern auch in Teilen selbstkritisch, da sich auch für uns die Frage stellt, ob der evangelistische Schwung zur Mission, wie er die Allianzen 1846 und 1951 zusammenführte, heute – vor allem in Europa – wirklich noch prägend ist. Man diskutiert etwa die zunehmende Zahl von Muslimen in Europa lieber politisch und kritisch, statt Gastfreundschaft zu üben und muslimische Familien zu sich nach Hause einzuladen.

Der Papst hat manches eher angedeutet, als pointiert kritisiert. Doch es lohnt sich, diese Andeutungen einmal aufzulisten, denn in Rom weiß man offensichtlich sehr genau Bescheid.

Was der Papst ablehnt bzw. kritisiert:

  • „die Ökumene und die Mission“ sind „nicht mehr so eng miteinander verbunden … wie am Ursprung“ (eigentlich ‚Anfang‘)
  • „der missionarische Auftrag“ ist „mehr … als die *diakonia* und die Entwicklungshilfe“
  • die „leider oft wiederkehrende Versuchung, sich entsprechend weltlicher Denkmuster aufzudrängen“
  • „worin besteht diese Kraft der Anziehung? Gewiss nicht in unseren Ideen, Strategien oder Projekten“
  • „An Jesus Christus glaubt man nicht mittels einer Sammlung von Ja-Stimmen“
  • „das Volk Gottes ist nicht auf den Rang einer NGO herabzustufen“
  • „wenn wir diesen Schatz auf den Wert eines rein diesseitigen Humanismus reduzieren würden, der sich den Moden des Augenblicks anpasst“
  • oder „ihn aus Angst vor den Provokationen … der Welt zurückhalten wollten“

Demgegenüber steht:

  • „Unsere Identität hängt davon ab. Die Verkündigung des Evangeliums bis zu den äußersten Grenzen gehört zum Wesen unseres Christseins.“
  • „Ich bin überzeugt, dass, wenn der missionarische Schub wachsen wird, auch die Einheit unter uns wachsen wird.
  • „Wie an den Ursprüngen die Verkündigung den Frühling der Kirche kennzeichnete, so wird die Evangelisierung die Blüte eines neuen ökumenischen Frühlings kennzeichnen.“


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