Stedtler_Baptisten_Vorderseite(Bonn, 30.11.2015) Ein neuer Band der im Bonner Verlag für Kultur und Wissenschaft erscheinenden Reihe „Geschichte – Kirchengeschichte – Reformation“ behandelt die ethischen und politischen Positionen der baptistischen Freikirche in der Weimarer Republik. Vor allem die baptistische Zeitschrift ‚Der Wahrheitszeuge‘ wird daraufhin untersucht, wie sich der Schriftleiter und andere Autoren zu Politik und Gesellschaft der Weimarer Republik (1919-1932) äußerten, insbesondere zu Demokratie, Sozialismus und Nationalsozialismus.

Inmitten der Wirren der Weimarer Republik (1919-1932) versuchen die Baptisten, ihre Missions- und Gemeindearbeit in Deutschland voranzutreiben. Half ihr Glaube ihnen, die Herausforderungen der Zeit zu bewältigen? Wie fühlten und dachten sie, und warum waren manche Entwicklungen, die heute allgemein akzeptiert sind, für viele ein Schock, während andere begründet wurden? Und wie reagierten baptistische Autoren auf die drei großen politischen Konzepte (Demokratie, Sozialismus, Nationalsozialismus), die damals um die Herrschaft rangen?

Der Autor, Manfred Stedtler, ist Pastor der Freien evangelischen Gemeinde Halle (Saale). Er studierte Geschichte mit den Nebenfächern Politik und Evangelische Theologie an der Universität Leipzig (Magister Artium 2001). Später studierte er berufsbegleitend Theologie am Chemnitzer Studienzentrum des Martin Bucer Seminars.


Bibliografische Angaben:

  • Manfred Stedtler. Baptisten in der Weimarer Republik: Ihre Gedanken zu Politik und Gesellschaft. Geschichte – Kirchengeschichte – Reformation – Bd. 27. Verlag für Kultur und Wissenschaft: Bonn, 2015. 168 S. Pb. 15.00 €. ISBN 978-3-86269-094-7
  • Lieferbar über den örtlichen Buchhandel oder online über amazon.de.

Interview mit Manfred Stedtler

ManfredStedtler4x6BQ stellte dem Autor einige Fragen anlässlich des Erscheinens seines Buches

BQ: Herr Stedtler, wie sind Sie zu ihrem Thema gekommen?

Ursprünglich bewegte mich die Frage, wie Christen in der Weltwirtschaftskrise mit der Arbeitslosigkeit umgegangen sind. Da meine familiären Wurzeln im Baptismus liegen, begann ich, die entsprechenden Ausgaben des „Wahrheitszeugen“ zu lesen.

Gleichzeitig erfuhr ich, dass die Baptisten (wie die meisten anderen Freikirchen auch) sich im Dritten Reich sehr angepasst verhielten und dass es kaum freikirchlichen Widerstand gegeben hat. In der Forschung läuft seit einigen Jahren eine Debatte darüber, ob und in welcher Weise die Theologie zu dieser systemstabilisierenden Passivität beitrug. Daraus ergab sich für mich die Frage, wie die damaligen Baptisten geprägt waren und wie Bibel und Glaube ihre politische und gesellschaftliche Haltung veränderten.

BQ: Was hat Sie beim Quellenstudium persönlich am meisten überrascht, erstaunt, enttäuscht, geärgert oder sonstwie emotional berührt?

Es war schockierend zu sehen, wie viel über die Republik geschimpft wurde und wie selbstverständlich antisemitische Gedankengänge auch bei solchen Christen vorkamen, die sich ausdrücklich vom Nationalsozialismus distanzierten. Auffällig ist auch, wie sehr sich die Deutschen als Opfer westlicher Aggression fühlten.

Gerade vor diesem Hintergrund war es spannend zu sehen, wie in verschiedenen Fragen um eine biblische Antwort gerungen wurde und wie der Glaube immer wieder Vorurteile abgebaut hat.

Positiv beeindruckt hat mich die Hingabe, mit der die Autoren (und offensichtlich auch viele Leser) ihren Glauben in tiefen Krisen festhielten, lebten und weitergaben.

BQ: Was können wir heute von dem lernen, was Sie in ihrem Buch herausgefunden und belegt haben?

Zuerst einmal, dass der richtige Glaube nicht automatisch zu besserer Politik führt!

Dann aber auch, dass man nicht vorschnell über einen Menschen oder eine Bewegung urteilen sollte, sondern sich in den anderen hineinversetzen muss, um sein Reden und Handeln verstehen (und korrigieren) zu können.

 

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