Mein verehrter Lehrer, der Bonner Religionswissenschaftler Karl Hoheisel, ist im Alter von 73 Jahren verstorben. Er war ein gütiger und freundlicher Mensch, immer für andere da, zugleich ein vorbildlicher Forscher und Wissenschaftler, immer offen für bisher wenig beachtete Forschungsgebiete und -methoden. Ich erlebte ihn zunächst ab 1983 als denjenigen, der mich (und meine Frau) an der Universität Bonn in die Religionswissenschaft einführte. Seine enorme Themenbreite, die insbesondere in den Themen seiner vielen Lexikonartikel deutlich wird, ließ mich die Religionswissenschaft in allergrößter Breite verstehen und anwenden.
Als ich mich nach vielen Jahren entschloss, erneut zu promovieren, hatte ich das Vorrecht, als sein letzter Doktorand von seiner enormen Erfahrung zu profitieren. Schon von seiner Krankheit gezeichnet, betreute er mich dennoch, als gäbe es nichts Wichtigeres auf der Welt. Wie ich selbst aus der Missionswissenschaft und Theologie heraus in die Religionswissenschaft und Ethnologie hineingewachsen, konnte er mir manch guten Erfahrungsschatz weitergeben. Diesselbe Tradition setzt übrigens Hoheisels Nachfolger Manfred Hutter als Dr. theol. Dr. phil. fort (hier), unter dem zu studieren ich nur jedem angehenden Religionswissenschaftler empfehlen kann.
Der herausragende Bonner Religionswissenschaftler Gustav Mensching hatte vor allem drei Schüler, Hans-Joachim Klimkeit und Karl Hoheisel in Bonn und Udo Tworuschka. Durch Hoheisel (und Klimkeit) habe ich an diese Tradition Anschluss gefunden, wie gerade auch meine Übernahme der Religionsdefinition von Hoheisel in „Hitlers Kriegsreligion“ (Band 1, S. 64, 53–54, 487, 457, 399–400; weitere Verweise auf Hoheisel 19, 23, 30, 57, 70–72, 132, 137,224–225, 232, 240, 505) belegt.
Zusammen mit dem ebenfalls jüngst verstorbenen Bonner Vertreter der Politologie und Soziologie Manfred Funke (siehe meinen Nachruf hier) ermöglichte mir Hoheisel mein ungewöhnliches Thema „Hitlers Kriegsreligion“ und damit eine religionssoziologische Arbeit, die die Voraussetzung für meine Professur für Religionssoziologie in Rumänien war.
Karl Hoheisel (16. 04. 1937 in Langendorf, Krs. Neisse O/S – 17.2.2011 in Bonn)
- 1964 Lic. theol., Rom, nach Studium der Philosophie, der (katholischen) Theologie und der biblischen und orientalischen Sprachen (1964)
- 1971 Dr. phil. Bonn, nach Studium der Vergleichenden Religionswissenschaft und der Ethnologie
- 1965–1974: Wissenschaftlicher Mitarbeiter bzw. Assistent am (katholischen) Anthropos Institut in St. Augustin bei Bonn
- 1971–1974: Dozent für Vergleichende Religionswissenschaft an der (katholischen) Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Augustin bei Bonn; in dieser Zeit Arbeit an der Habilitationsschrift
- 1974 Lehranalyse/Psychoanalyse
- 1974 Habilitation in Vergleichender Religionswissenschaft, Bonn (Titel der Habilitationsschrift: „Das antike Judentum in christlicher Sicht“)
- 1974–1980: Arbeit im Rahmen eines DFG-Forschungsprogramms an der Universität Bonn
- 1980–1995: Außerplanmäßiger Professor an der Universität Bonn
- 1981–1995: Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Franz-Josef-Dölger-Institut zur Erforschung der Spätantike, dort vor allem Redakteur und Autor des „Reallexikons für Antike und Christentum“
- Seit 1988: stellvertretender Direktor des Franz-Josef-Dölger-Instituts
- 1995–2000: Professor für Vergleichende Religionswissenschaft, Universität Bonn, zuletzt Direktor des Religionswissenschaftlichen Instituts als Nachfolger von Hans-Joachim Klimkeit
- 2000–2007 Emeritus ebd.
Forschungsgebiete:
- Geschichte des Judentums, des frühen und modernen Islam und aller Religionen der klassischen Antike
- Religionsgeschichte des modernen Europa, insbesondere neue Religionen und moderne religiöse Bewegungen wie Freimaurer, Esoterik, Okkultismus
- Religionspsychologie
- Religionsgeographie
Herausgeberschaften Buchreihen:
- „Geographia religionum“ seit 1985
- „Studies in Oriental Religions“ seit 1999
Herausgeberschaften Lexika:
- „Reallexikon für Antike und Christentum“ seit 1996
- Fachherausgeber für Religionsgeschichte, „Theologischen Realenzyklopädie“ (TRE) seit 2000
Veröffentlichungsliste & Festschrift:
- Literatur bis 2002 in der Festschrift, S. IX-XIX
- Manfred Hutter, Wassilios Klein, Ulrich Vollmer (Hg.). Hairesis: Festschrift für Karl Hoheisel zum 65. Geburtstag. Jahrbuch für Antike und Christentum Ergänzungsband 34. Münster: Aschendorff, 2002
Nachtrag: Nachruf der Abteilung Religionswissenschaft der Universität Bonn bis auf Weiteres hier.