Christliches Zeugnis in einer multireligiösen Welt
Mein Artikel „Mission Respekt“ (PDF) aus der Zeitschrift des Evangelischen Bundes. Lesenswert ist auch das gesamt Heft zur Mission: PDF-Download
Das Christentum hat in seiner Geschichte vielfach unlautere Mittel zu seiner Ausbreitung eingesetzt und muss vor jeglichem Rückfall in alte Fehlhaltungen und Verhaltensweisen auf der Hut sein. Es war deswegen ein lange überfälliges Zeichen, dass die größten christlichen Kirchen und konfessionellen Weltverbände 2011 gemeinsam offiziell erklärten, dass sie solche Methoden als unmoralisch und unchristlich und somit dem wahren Sinn der Mission widersprechend verwerfen.
Die Frage von Ethik in Mission und Dialog ist in den vergangenen Jahren zunehmend gestellt worden, im innerchristlichen Dialog ebenso wie in Begegnungen mit anderen Religionen. Das christliche Zeugnis ist kein ethikfreier Raum; es bedarf einer ethischen Fundierung, die biblisch begründet ist, damit wir wahrhaftig tun, wozu Christus uns bestimmt hat.
Doch es gab auch eine politische Fragestellung. Hier geht es um das Ausmaß, in dem das Recht auf Religionsfreiheit, einschließlich des Rechts auf öffentliche Selbstdarstellung und auf Religionswechsel, durch andere Menschenrechte begrenzt werden kann und muss.
Historisch einzigartig
Vor diesem Hintergrund haben der „Päpstliche Rat für Interreligiösen Dialog – PCID“ und das Dialogprogramm des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) „Interreligiöse Beziehungen und Dialog – IRRD“ einen Prozess kleiner und größerer Konsultationen begonnen. Die Weltweite Evangelische Allianz (WEA) und ihre Religionsfreiheitskommission ist auf der Seite des IRRD hinzugekommen. Dies führte schließlich nach fünfjährigen Gesprächen und zahlreichen Tagungen rund um die Welt im Jahr 2011 zu der gemeinsamen Veröffentlichung des Dokuments „Christliches Zeugnis in einer multireligiösen Welt“ durch den Vatikan, den ÖRK und die WEA. Zum ersten Mal in der Geschichte hatten diese drei Verbände, die zusammen rund 2,4 Milliarden Christen repräsentieren, zusammengearbeitet und einen gemeinsamen Text erarbeitet.
Würde und Menschenrechte beachten
Das Dokument hat keinen kanonischen oder rechtlichen Charakter. Die Situationen in unterschiedlichen Ländern und Kulturen sind in der Tat so verschieden, dass kurze, griffige Aussagen ihnen nicht Genüge tun. Daher sind im Schlussteil des Dokuments allgemeine Richtlinien und Empfehlungen formuliert.
Trotzdem bestätigen diese in großer Eindeutigkeit, dass Mission zwar zum Wesen der Kirche gehört, aber nicht mehr Mission ist, wenn sie die Würde und Menschenrechte anderer nicht im vollem Umfang beachtet. Jeder Zwang, jede „Bestechung“, jede Propaganda, die andere unwahr darstellt, auch jede Zuhilfenahme des Staates, werden als der Lehre Jesu entgegenstehend angesehen. Zur Mission gehört auch selbstverständlich der Dialog mit anderen Religionen, sowohl um diese richtig kennenzulernen, als auch, um gemeinsam eine gerechte Gesellschaft zu bewirken.
Meilenstein in der weltweiten Ökumene
Jean-Louis Kardinal Tauran, Präsident des PCID, stellte bei der Veröffentlichung des Dokuments in Genf fest:
„Heute ist ein historischer Moment in unserem gemeinsamen christlichen Zeugnis“,
die WEA formulierte:
„Heute schreiben wir Geschichte“
und Christoph Anders, Direktor des EMW schrieb:
„Dies ist ein wichtiger Punkt in der weltweiten ökumenischen Bewegung“.
Aber man weiß bei der Veröffentlichung eines Dokuments selten, was dessen weitere Zukunft sein wird. Da das Dokument in keine bestehende Kategorie passte, war nicht klar, wie es aufgenommen werden würde.
Interreligiöse Beziehungen auf neuen Wegen
Irgendwie hat es das Dokument geschafft! Pater Indunil J. K. Kodithuwakkus, Untersekretär des PCID, hat Recht behalten:
„Richtig umgesetzt werden die Verhaltensrichtlinien den Weg für neue ökumenische und interreligiöse Beziehungen ebnen.“
Der Text ist heute wohl das meist zitierte und für verbindlich erklärte ökumenische Dokument weltweit und ist für die Weltchristenheit zum Bezugspunkt im interreligiösen Dialog und in der Mission geworden. An der Basis wird es von Waisenheimen in Bezug auf Kinder anderer Religionen ebenso eingesetzt wie von globalen christlichen Hilfsorganisationen wie World Vision. Die Orden der Salesianer und der Franziskaner, der Weltbund der Methodisten, die Presbyterianische Kirche (USA), um nur wahllos einige Beispiele zu nennen, aber auch alle Kirchenverbände so unterschiedlicher Länder wie Indien, Libanon, Kanada und Deutschland haben sich das Dokument zu eigen gemacht.
Die Vertreter der Christlichen Konferenz von Asien (CCA), der Föderation der asiatischen Bischofskonferenzen (FABC) und der Asiatischen Evangelischen Allianz (AEA) forderten gemeinsam alle Kirchen auf, seine Themen zu diskutieren und konkrete Umsetzungen vor Ort zu erarbeiten. Auch auf der Weltmissionskonferenz des ÖRK in Tansania war es ein zentrales Thema.
Erfolgreich auf allen Ebenen
Man kann nicht sagen, wo das Dokument erfolgreicher ist, auf internationaler, regionaler und nationaler oder kommunaler Ebene – Beispiele gibt es auf allen Ebenen. Auch die drei beteiligten globalen Verbände sind alle weltweit weiterhin an seiner Fortführung beteiligt.
Derzeit führen die drei Verbände, diesmal unter Hinzunahme der Pentecostal World Fellowship, auf der Plattform des Global Christian Forum einen Folgeprozess durch, der die Prinzipien des Dokuments auf den zwischenkirchlichen Bereich („Proselytismus“, salopp „Schafe stehlen“ genannt) anwendet, die große Tagung dazu in Accra (Ghana), war ein voller Erfolg.
Ich möchte vier Bereiche benennen, in denen das Dokument je für sich Veränderungen bewirkt hat:
- Interreligiöser Dialog wird von keinem der Dachverbände mehr in Frage gestellt. Mission und Dialog gehören zusammen, sagen Katholiken, Orthodoxe, Protestanten und Evangelikale.
- Das Dokument beendete ein Stück weit die klassische Spaltung der Missionswissenschaft vor allem seit den 1960er Jahren. Die Diskussion über Missionsethik auf der Basis der „Missio Dei“ wurde zum integralen Bestandteil der Missionstheologie. In Deutschland wurde das sichtbar, weil sich das Evangelische Missionswerk in Hamburg, das katholische Missionswerk Missio in Aachen und die Arbeitsgemeinschaft evangelischer Missionen zusammensetzten und schließlich alle Kirchen in Deutschland, die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen, die römisch-katholische Kirche wie die EKD, die Deutsche Evangelische Allianz und die Vereinigung Evangelischer Freikirchen dafür gewannen, 2014 in Berlin das Dokument auf einer großen Konferenz gemeinsam zu begrüßen. So etwas hatte es in Deutschland nie zuvor gegeben.
- Ökumenische Beziehungen: Gemeinsame Projekte, Symposien, Erklärungen usw. von Vertretern und Vertreterinnen von Katholiken, den Nationalen Kirchenräten und der Nationalen Evangelischen Allianzen sind seitdem fast normal geworden, in der Zentralafrikanischen Republik ebenso wie in Kolumbien oder Kanada.
- Interreligiöser Dialog und Mission gehen Hand in Hand in Sachen Menschenrechte. Sie sind ein gemeinsames ökumenisches Erbe. Sie stehen nicht beziehungslos neben der Kirche und neben Mission, sondern binden durchgehend das Handeln der Kirche und stellen es gegebenenfalls in Frage.
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