In diesem Jahr haben wir des 100. Geburtstages von John Stott gedacht. Die Herausgeber seiner Bücher, The Gospel Coalition und Christian Today gehörten zu denen, die den Einfluss von Stott feierten und in bemerkenswert ähnlicher Weise betonten, dass Evangelikale immer noch von Stott lernen müssen. Sie erkennen vor allem seine Wirksamkeit als vermittelnder, aber prinzipientreuer Evangelikaler an, der versuchte, Brücken zu bauen und der Trennlinien nur dort zog, wo die Schrift es erforderte.
Auch ich wollte John Stott bei dieser Gelegenheit würdigen, aber ich finde, dass ich nichts Besseres zu sagen habe als das, was ich 2011 für die Broschüre geschrieben habe, die beim Dankgottesdienst für das Leben von John W. Stott in der Londoner St. Paul’s Cathedral mit 2000 geladenen Gästen aus der ganzen Welt verteilt wurde. Ich habe noch nie so viele anglikanische und andere Bischöfe gesehen, die dem Abschiedsgottesdienst eines einfachen Priesters beiwohnten. Es war einer der beeindruckendsten Gottesdienste, die ich je besucht habe, und „Das Kreuz“ – der Titel von Stotts Hauptwerk – stand im Mittelpunkt.
Die Weltweite Evangelische Allianz hat gerade meinen Nachruf auf John Stott hier veröffentlicht:
John Stott, der Hauptverantwortliche für die theologische Präambel der Verfassung der Weltweiten Evangelischen Allianz und der Initiator unserer Zeitschrift ‚Evangelical review of Theology‘, sieht nun Jesus, der bei allem, was er tat, sagte und schrieb, der Mittelpunkt seines Lebens war. Was als sein bestes Buch gilt, ‚The Cross of Christ‘ (1986), war und ist tatsächlich sein bestes Buch und ein Vermächtnis an alle Evangelikalen: Nur wenn das Kreuz Jesu unsere Mitte bleibt, können wir Einheit erreichen.
Für mich ist John Stott ein Vorbild schlechthin für alle evangelischen Theologen und Theologinnen, denen die Theologische Kommission zu dienen versucht, denn er war ein beeindruckender Meister der gegenseitigen Ergänzung und war nie bereit, eine wichtige Sache auf Kosten einer anderen wichtigen Sache zu betonen. Lassen Sie mich einige jener Ergänzungen nennen, indem ich John Stott mit Paulus vergleiche – etwas, das ihm sicher sehr missfallen hätte!
- Wie Paulus war auch er Pastor, Missionar und ein großer Theologe gleichzeitig. Seine akademische Theologie richtete sich immer an den Leib Christi, nicht an seine akademischen Kollegen.
- Wie Paulus war auch er ein Meister im Denken und systematischen Schreiben, der versuchte, den ganzen Glauben in ein kurzes Buch zusammenzufassen (hier Römer, dort ‚Basic Christianity‘, 1958; deutsch: ‚Einführung in das Christentum‘, 1973), und doch schrieb er nie in einer abgehobenen Weise, um Akademiker zu beeindrucken, sondern immer zum Nutzen der ganzen Gemeinde.
- Wie Paulus war auch er bereit, für das Evangelium zu kämpfen; und er war ein Mann der klaren Worte – siehe sein Buch „Christ the Controversalist“ (1970). Und doch war er ein Mann des Friedens, ein Brückenbauer, jemand, der anderen Meinungen sehr gründlich zuhörte und versuchte, sie zu verstehen. Durch sein Engagement in der WEA und der Lausanner Bewegung brachte er Evangelikale und evangelikale Theologen in größerem Rahmen als je zuvor zusammen, aber nicht, indem er gar keinen Standpunkt vertrat oder die theologische Diskussion oder biblische Exegese umging, sondern inmitten der theologischen Debatte. Er war überzeugt, dass Einheit nicht durch weniger gute Theologie, sondern durch ein offeneres gemeinsames Bibelstudium über alle Fronten hinweg entstehen würde.
- Wie Paulus war er ebenso lokal wie global. Er schaffte es, weltweit zu publizieren, zu sprechen und zu reisen, während er sich gleichzeitig intensiv der persönlichen Seelsorge, seiner örtlichen Gemeinde und der Betreuung derer widmete, die ihm nahe standen.
- Wie Paulus wurde auch er weltberühmt und blieb doch der demütige Gottesknecht, der nie verstand, wie Jesus ihn auf solche Weise gebrauchen konnte.
- Wie Paulus wurde auch er in der Politik und der säkularen Welt bekannt, stand vor Königen und Kaisern, predigte z.B. vor der Queen und wurde 2005 vom Times Magazine zu den 100 einflussreichsten Menschen gezählt. Und doch ließ er sich nie von diesem weltlichen Einfluss vereinnahmen, vielmehr blieb die Verkündigung des Evangeliums seine Passion.
- Wie Paulus war auch er ein Meister des Alten und erkannte dennoch scharfsinnig, was verändert und neu erfunden werden musste. Er wollte nie das alte spröde Kreuz an die Moderne anpassen, sondern den der Kirche ein für allemal anvertrauten Glauben verteidigen, und doch war er bis ins hohe Alter offen, den christlichen Glauben den sich ständig ändernden Situationen auf allen Kontinenten anzupassen. Als er jung war, wirkte sein evangelisches Evangelium auf manche sehr alt, im Alter wirkten seine Ideen jünger als die vieler 60 Jahre jüngerer Menschen.
- Wie Paulus war auch er der Überzeugung, dass die Verkündigung des Evangeliums am Anfang von allem stehen muss, doch gleichzeitig förderte er Werke der Barmherzigkeit an den Bedürftigen weltweit. Er sah alles durch die Brille des Evangeliums, wusste, dass nur das Kreuz die Sünden des Stolzes, des Rassismus, des Mammons, des Hasses, des sexuellen Missbrauchs usw. überwinden kann, und brachte doch gleichzeitig viele Menschen dazu, sich gegen diese gesellschaftlichen Übel zu engagieren.
Ich hoffe, dass die Theologische Kommission der Weltweiten Evangelischen Allianz diese hohen Maßstäbe für die Zukunft beibehalten und das theologische Erbe Stotts in die Zukunft der evangelikalen Bewegung weitertragen kann.
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