Der neueste Band des Jahrbuchs des Martin Bucer Seminars greift ein ‚heißes Eisen‘ der Theologie auf. Es geht um die trinitätstheologische Frage, von wem der Heilige Geist ausgeht. Abendländische Theologen haben das (zumindest seit Augustinus) immer so verstanden und interpretiert, dass der Heilige Geist aus dem Vater und dem Sohn (lateinisch: „filioque“) zugleich hervorgeht. In das neben dem Apostolikum zweite bedeutende altkirchliche Glaubensbekenntnis, das Nicäno-Konstantinopolitanum von 381 n. Chr., das einzige „ökumenische“, also in Ost- und Westkirche gleichermaßen anerkannten Bekenntnis, haben die Abendländer deswegen in den Text nachträglich eingefügt: „Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird …“
Die morgenländische Theologie dagegen sah das als eine illegitime Verfälschung des von einem Ökumenischen Konzil verabschiedeten Bekenntnistextes an. Eine bis in die Gegenwart anhaltende Kontroverse war somit geboren.
„Filioque“: Dieses kleine lateinische Wörtchen ist einer der bedeutendsten ‚Zankäpfel‘ der ganzen Kirchengeschichte geworden – mit einer bis heute verheerenden, kirchentrennenden Langzeitwirkung. Spätestens seit dem großen Kirchenschisma von 1054 zwischen Ost und West ist es nicht mehr Ausdruck von zwei legitimen, komplementären Varianten der gemeinsamen Glaubenstradition, sondern mit einem gegenseitigen Häresieverdacht behaftet.
Das Jahrbuch zeichnet in unterschiedlichen Beiträgen die Geschichte der Kontroverse und der modernen Versuche ihrer Überwindung nach und stellt die Frage, ob und inwiefern wir die Frage exegetisch überhaupt von der Schrift her beantworten können.
Neben der grundsätzlichen historischen Darstellung von Annette Hannappel finden sich Stellungnahmen aus lutherischer (Karsten Bürgener), reformierter (Thomas Schirrmacher) und täuferischer (Peter H. Uhlmann) Sicht.
Grundsätzlich sind alle Autoren der Meinung, dass die in der Alten Kirche häufiger verwendete Formulierung, die mehrfach als Kompromissformel vorgeschlagen wurde, dass der Heilige Geist vom Vater durch (dia) den Sohne ausgehe, die Sache am besten wiedergebe. Außerdem dürfe man bei grundsätzlichem Festhalten an der westkirchlichen Position durchaus beim gemeinsamen Sprechen des Bekenntnisses auf den Zusatz verzichten.
Herausgeber und Autoren stellen das Buch unter das Motto des Kirchenvaters Cyrill von Jerusalem (315–386 n.Chr.): „Der Heilige Geist selbst hat die Schrift diktiert. Er hat auch alles über sich gesagt, was er sagen wollte oder was wir zu erfassen vermögen. Sagen wir also, was er gesagt hat, und wagen wir uns nicht in das vor, was er nicht gesagt hat.“
Klaus Vogt, Thomas Schirrmacher (Hg.). Das „filioque“ – ein unerledigter Streitpunkt der Weltchristenheit. Jahrbuch des Martin Bucer Seminar – ISSN 1610-7241. Badn 11 (2011) (erschienen 2012). 150 S. Pb. 16.00 €. ISBN 978-3-86269-045-9
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