Am 11. und 12. Juli besuchten der Präsident der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (ISHR), Prof. Thomas Schirrmacher, und der ISHR-Generalsekretär, Matthias Böhning, gemeinsam mit Prof. Christine Schirrmacher und Dr. Esther Schirrmacher Tadschikistan zu einer Erkundungsmission zur Menschen­rechtslage in dem zentral­asiatischen Land.

Während des zweitägigen Aufenthalts in der tadschi­kischen Hauptstadt Dusch­anbe trafen Schirrmacher und Böhning mit Salome Steib, der Leiterin der Schweizer Vertretung in Tadschikistan, dem deu­tschen Botschafter in Ta­dschikistan, York Schue­graf, Botschafter Raimun­das Karoblis, dem Leiter der Delegation der Euro­päischen Union in Tadschi­kistan, Suhrob Shoev, dem Nationalen Programmbe­auftragten des Büros des UN-Hochkommissars für Menschenrechte (OHCHR), und Sergiy Shtukarin, dem Menschenrechtsberater des UN Resident Coordinators OLice, in Tadschikistan zusammen. Die aufschlussreichen Gespräche unterstrichen die bereits im Vorfeld der Reise auf der Grundlage von Recherchen getroffenen Annahmen der ISHR-Führung, dass sich die Menschenrechtslage in Tadschikistan verschlechtert und der zivilgesellschaftliche Raum immer enger wird. Kurz vor der lange vorbereiteten Machtübergabe von Präsident Emomali Rahmon an seinen Sohn nehmen Repression und Angst in dem zentralasiatischen Land zu.

(von links nach rechts): Sergiy Shtukarin (Menschenrechtsberater des UN Resident Coordinator Office in Tadschikistan), Suhrob Shoev (Nationaler Programmbeauftragter des Büros des UN Kommissars für Menschenrechte), Matthias Böhning, Thomas und Christine Schirrmacher © ISHR/Esther Schirrmacher

Im Folgenden wird der Bericht über die Erkundungsmission von Matthias Böhning wiedergegeben:

Reisebericht Tadschikistan Juli 2024

Tadschikistan. Abgeschlossenes Land. Heiße Sommer. Uralte Zitadellen. Einige der höchsten Berge der Welt. Bezaubernde smaragdgrüne Seen und verblüffende Regierungsgebäude. Eine Hauptstadt namens Duschanbe, oder „Montag“, weil der größte Basar in der Gegend montags in dieser Stadt stattfand. Die Heimat der Wassermelone. Und ein Land, das seinem Slogan „Spüre die Freundschaft“ wirklich gerecht wird. Innerhalb eines Tages kann man feststellen, dass dies nicht nur eine kulturelle Wunschprojektion ist, sondern dass die Tadschiken in vielen Begegnungen eine eher sanfte Freundlichkeit an den Tag legen. Ein einheimischer Taxifahrer, der uns etwas Bargeld leiht, weil wir vergessen haben, wel­ches mitzubringen, ist ein gutes Beispiel für ihre Gast­freundschaft gegen­über Fremden. Es ist jedoch auch nicht schwer festzu­stellen, dass das Land mit einer Fülle von drängen­den wirtschaft­lich­en und gesellschaftlichen Proble­men zu kämpfen hat. In den letzten Jahren sind Freiheiten immer mehr eingeschränkt wor­den. Ne­ben der sich verschlech­ternden Men­schenrechts­lage ringt Ta­dschikistan auch mit Problemen der Wasserbewirtschaftung. Der chronische Mangel an Industrie und Beschäftigungsmöglichkeiten ist auf das Fehlen einer funktionierenden Rechtsstaatlichkeit zurückzuführen. Investitionen sind einfach zu riskant, da Korruption weit verbreitet ist. Hinzu kommt, dass ein großer Teil des BIP derzeit aus Über­weisungen besteht, die von der noch größeren Diaspora nach Tadschikistan geschickt werden. Da sich die Bedingungen für diese Menschen im Ausland verschlechtern, könnte diese Einnahmequelle in naher Zukunft drastisch zurückgehen. Es gibt ein praktisch nichtexistierendes Gesundheitssystem, und trotz seines Reichtums an natürlichen Ressourcen ist es das ärmste Land Zentralasiens, das beim Pro-Kopf-Einkommen weltweit auf Platz 162 liegt.

Am 11. und 12. Juli reisten der Präsident der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (ISHR), Prof. Thomas Schirrmacher, Prof. Christine Schirrmacher, Dr. Esther Schirrmacher und der Generalsekretär der ISHR, Matthias Böhning, nach Tadschikistan, um sich vor Ort ein Bild von der Menschenrechtslage in dem zentral­asiatischen Land zu machen. Während ihres zweitägigen Aufenthalts in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe trafen sich Schirrmacher und Böhning mit Salome Steib, der Landesdirektorin der Schweizer Vertretung in Tadschikistan, dem deutschen Botschafter in Tadschikistan, York Schuegraf, Botschafter Raimundas Karoblis, dem Leiter der Delegation der Europäischen Union in Tadschikistan, Suhrob Shoev, dem Nationalen Programmbeauftragten des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) und Sergiy Shtukarin, dem Menschenrechts­berater des Büros des residierenden Koordinators der Vereinten Nationen (UNRCO) in Tadschikistan. Die aufschlussreichen Gespräche unterstrichen die bereits im Vorfeld der Reise auf der Grundlage von Recherchen getroffenen Annahmen der ISHR-Führung, dass sich die Menschenrechtslage in Tadschikistan verschlechtert und der zivilgesellschaftliche Raum immer enger wird. Kurz vor der lange vorbereiteten Machtübergabe von Präsident Emomali Rahmon an seinen Sohn nehmen Repression und Angst in dem zentralasiatischen Land zu.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion kam es in Tadschikistan zu einem schrecklichen Bürgerkrieg, in dem regionale Mächte um die Macht rangen. Schät­zungsweise 100.000 Menschen verloren ihr Leben. Angesichts des islamistischen Drucks der Nachbarländer Pakistan und Afghanistan sowie anderer Länder, die Tadschikistan in eine islamische Republik verwandeln wollten, stand die Bevölkerung vor einem Scheideweg: entweder den Weg der islamischen Republik einzuschlagen oder das säkulare Regime wiederherzustellen, wie es zu Zeiten der Tadschikischen Sozialistischen Sowjetrepublik (SSR) herrschte. Die letztere Option setzte sich unter der Führung von Imomali Rahmon durch.

Nach seiner Machtübernahme hat sich für Tadschikistan viel verändert. Niemand unter 18 Jahren darf mehr eine Moschee betreten. Die Predigten werden von der Regierung gelenkt und zensiert. Männer dürfen keine unrasierten Bärte tragen, was in einigen Fällen sogar zu öffentlichen Zwangsrasuren führte. Die tadschikisch-afghanische Grenze ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, geschlossen. Neben dem harten Vorgehen gegen die strengeren Formen des Islams, wie den Sufismus, wurde auch die gemäßigtere Aga-Khan-Sekte verboten. Diese in der Bergregion Pamir vorherrschende Strömung des Islam predigt die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Bildung von Frauen. Die einzige Synagoge des Landes wurde geschlossen und zerstört, und mehrere protestantische Konfessionen wurden daran gehindert, sich zu versammeln. Im Jahr 2015 ging die tadschikische Regierung hart gegen die einzige islamische politische Partei vor, erklärte sie zu einer terroristischen Organisation und verhaftete die meisten Mitglieder der Führung. Ein entscheidender Moment für das Land, wie der nationale Programmbeauftragte des OHCHR, Shoev, betont.

Unter dem bloßen Schleier des Laizismus erscheinen diese Schritte radikal. Und das sind sie auch. Doch Rahmon hat ein bestimmtes Ziel vor Augen. Es ist nicht so sehr der Begriff der Religion an sich, den er beseitigen will, sondern vielmehr versucht er, die Gefahr der Radikalisierung in den Griff zu bekommen. Tadschikistan, das direkt an der afghanischen Grenze liegt, und dessen Bevölkerung im Allgemeinen sehr arm ist, wird von vielen Terrororganisationen als fruchtbarer Nährboden für eine islamische Radikalisierung angesehen. Die oben erwähnten Maßnahmen der Regierung waren nicht nur ein Mittel zur Durchsetzung des Säkularismus und der Verfassung, sondern sie dienen auch als Instrument zur Bekämpfung dieser Bedrohung. Indem er die radikaleren Strömungen des Islam verdrängt und Jugendlichen den Besuch von Koran­schulen verbietet, hofft Rahmon, diese destabilisierende gesellschaftliche Kraft aus­zulöschen.

York Schuegraf, deutscher Botschafter in Tadschikistan (Dritter von rechts) mit Mitarbeitern der Botschaft © ISHR/Esther Schirrmacher

Ohne die eklatanten Menschenrechtsverletzungen an dieser Stelle anzusprechen, könnte das energische Vorgehen eine unbeabsichtigte Gegenreaktion auslösen. Schon vor seiner Verhaftung äußerte der Vorsitzende der islamischen Partei die Befürchtung, dass junge Menschen, die an einer angemessenen Koranausbildung gehindert werden, ihre Ausbildung im Internet suchen werden, wo der allgemeine Tenor ein islamischer Extremismus ist. Und da­mit war er nicht allein, wie Steib, Karoblis und Shtu­karin übereinstimmend be­richten.

Rahmon steht vor einer weiteren Herausforderung. Die bereits erwähnten Geld­überweisungen wer­den in Russland verdient. Diese tadschikischen Ar­beiter leben oft unter sehr schlechten Bedingungen, ohne dass die russische Regierung sie in irgend­einer Weise schützt oder unterstützt. Die jüngsten tragischen Anschläge in Moskau, an denen ta­dschikische Staatsange­hörige beteiligt gewesen sein sollen, haben die Situ­ation auch nicht verbessert. Sie haben die ohnehin schon düstere Stimmung in der russischen Öffentlichkeit gegen die tadschikischen Auswanderer weiter angeheizt und zu noch härteren Lebensbe­dingungen geführt, die wiederum eine mögliche Radika­lisierung begünstigen. Erst vor kurzem haben die deutschen und niederländischen Behörden mehrere ta­dschikische Männer fest­genommen, die Anschläge planten. Sie waren im Be­sitz russischer Pässe.

Neben all dem gibt es noch einen weiteren Faktor, der bei der Bewertung der Men­schenrechtslage in Tadschikistan zu berücksichtigen ist. Das Land steht seit Jahr­zehnten unter dem starken Einfluss Russlands. Abgesehen vom wirtschaftlichen Aspekt ist Tadschikistan in Bezug auf seine Sicherheit auf Russland angewiesen. Noch heute beherbergt das Land den größten russischen Militärstützpunkt außerhalb des rus­sischen Hoheitsgebiets. Um diese Abhängigkeit zu mildern, verfolgt Rahmon einen multivektoralen Ansatz, was der deutsche Botschafter Schuegraf bestätigte. Er ver­sucht, sich nicht von der russischen wirtschaftlichen und politischen Agenda verein­nahmen zu lassen, und bemüht sich um ausländische Investitionen in anderen Be­reichen. Dies hat zu stärkeren politischen Beziehungen zu Katar sowie zu um­fangreichen chinesischen Investitionen geführt. Es ist bekannt, dass China sein Projekt „Neue Seidenstraße“ verfolgt, und sein direkter Nachbar hat die buchstäbliche Seidenstraße in seinem Hinterhof. Dieser Hinterhof wird jedoch von der Aga-Khan-Minderheit bewohnt. Damit sich die chinesischen Investitionen lohnen, muss die Regierung für einen erfolgreichen Bau und Abschluss des Projekts sorgen. Wenn die Gemeinden umziehen müssen, dann sei es so. Außerdem, so Schuegraf, wird hier nicht nur die Initiative „Neue Seidenstraße“ bedient, sondern die neue Infrastruktur dient China auch als hocheffizienter Weg, wertvolle tadschikische Bodenschätze nach Hause zu bringen. Dies alles geschieht in der Pamir-Region, wo die Unterdrückung durch die Regierung am größten ist.

Die Menschenrechtslage und die Freiheiten der Zivilgesellschaft haben einen neuen Tiefpunkt erreicht. Shoev erwähnte sogar, dass es zu Zeiten des Bürgerkriegs mehr Freiheiten gab als heute. In einem Manöver, das man als sehr wirkungsvoll bezeichnen könnte, hat Rahmon vor kurzem alle registrierten NRO aufgefordert, sich unter einem neuen Namen und mit Hauptsitz in Duschanbe neu zu registrieren. Die offizielle Begrün­dung lautete, dass zu viele inaktive NRO die Datenbank überlasten. Dies hatte jedoch zur Folge, dass viele NRO auf dem Papier ihre bisherigen Leistungen verloren und ihre bisherigen Aktivitäten nicht mehr nachweisen konnten. Dies wiederum führte zu einem massiven Verlust von Fördermitteln, da dies eine unmittelbare Voraussetzung für die Gewährung von (ausländischer) staatlicher Unterstützung ist.

Es wird allgemein angenommen, dass die meisten Entscheidungen derzeit im Büro von Rahmons Tochter getroffen werden, die alle Bereiche des öffentlichen Lebens fest im Griff zu haben scheint. Auffallend ist, dass die tadschikische Führung bei jedem Ver­such, den Dialog mit der Regierung zu eröffnen, sei es durch ein persönliches Treffen zwischen dem deutschen Botschafter und der Regierungsspitze oder durch ein von den Vereinten Nationen organisiertes Forum, diesen Terminen einfach nicht zustimmen will. Es gibt keine starke Zivilgesellschaft, und obwohl es eine Nationale Menschenrechts­strategie gibt (die einzige in Zentralasien), scheint es, als sei sie in eine Todesschleife aus ausstehenden Überprüfungen und Evaluierungen geraten, worauf mehrere unserer Gesprächspartner hingewiesen haben. Die Dokumente aus dem Jahr 2022 sind noch nicht ausgewertet.

Salome Steib, Landesdirektorin der Schweizer Vertretung Tadschikistans (in der Mitte) und Mitarbeiter des Pendants der Schweizer Botschaft © ISHR/Esther Schirrmacher

Es gibt jedoch auch einige Hoffnungsschimmer, die ebenfalls erwähnt werden müssen. Die Regierung hat humanitäre Überprüfungen durch die Vereinten Nationen zugelas­sen. Sie hat zum Beispiel die Sonderberichterstatter für Minderheitenrechte und Reli­gions- und Glaubensfreiheit zugelassen. Wie die Schweizer Landesdirektorin Salome Steib betonte, ist bei dem von ihr organisierten und jährlich stattfindenden Rechtsstaat­lichkeitsforum die Zivilgesellschaft ebenso anwesend wie einige rangniedrige Staats­beamte. Fragen der Frauenrechte und der Gerechtigkeit für Kinder werden erörtert, und es scheint sogar, dass sie etwas an Boden gewinnen. Diese kleinen, wenn auch sehr bescheidenen Schritte sind ein greifbarer Hoffnungsschimmer und können im Leben Einzelner etwas bewirken.

Wie Shtukarin betonte, hat Rahmons Interesse an der multisektoralen Zusammenarbeit auch ein größeres Interesse an den Beziehungen zur EU geweckt. Dies könnte als Druckmittel zur Förderung von Menschenrechtsfragen genutzt werden. Eine weitere Veränderung, die sich durch die Besuche der Sonderberichterstatter ergeben hat, ist die Situation der Gefangenen, was auch der EU-Delegationsleiter Raimundas Karoblis bestätigte. Dies ist jedoch ein typisches Thema, das einer genaueren Betrachtung bedarf: Auch wenn diese Besuche das Leben der Gefangenen in gewisser Weise ver­bessert haben, muss zwischen der Haft vor und der Haft nach der offiziellen Verurtei­lung unterschieden werden. Während die bereits Verurteilten gewisse kleine Verbes­serungen erfahren haben, findet die meiste Folter während der ersten Inhaftierung statt. Und für den ersten Teil dieser schrecklichen Gleichung gibt es noch keine Anzeichen einer Änderung. Die Regierung ist bestrebt, die Prozesse gegen die Verurteilten so schnell wie möglich voranzutreiben und versucht, mit allen Mitteln Geständnisse zu erzwingen. Aber es ist, wie Schirrmacher sagte: „Diese kleinen Veränderungen ver­ändern das Leben einzelner Menschen, aber noch wichtiger – stellen Sie sich vor, was mit ihnen geschehen würde, wenn es keinerlei Kontrolle von außen gäbe?“

Alles in allem ist das bemerkenswerte Land Tadschikistan mit seinen Naturwundern und Ressourcen und vor allem seiner wertvollen Bevölkerung unsere Zeit, Aufmerk­samkeit und Energie wert. Durch den Aufbau vertrauenswürdiger und zuverlässiger Beziehungen zu Organisationen und Einzelpersonen, die bereit sind, sich für das Wohlergehen Tadschikistans einzusetzen, wollen wir einen Beitrag zu diesem Vor­haben leisten, so bescheiden die Anfänge auch sein mögen.

 

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