Im Folgenden berichtet Johanna Schirrmacher von einer Projektreise, die zu von der Gebende Hände gGmbH finanzierten oder mitfinanzierten Projekten gehört. Der Reisebericht von Johanna Schirrmacher kann hier heruntergeladen werden: PDF-Download
Der erste Tag
Unsere Projektreise begann in Porte-au-Prince, der Hauptstadt des karibischen Inselstaates Haiti. In den schmalen Straßen der größten Stadt des Landes herrschte ein geschäftiges Treiben: Frauen boten frisches Obst und Gemüse am Straßenrand an, Jugendliche saßen auf den provisorisch errichteten, kaputten Gehsteigen und Kinder spielten mit einfachsten Dingen. Schon dieser erste Eindruck gab uns ein Gefühl dafür, welche Armut uns abseits der großen Stadt inmitten des Landes erwarten musste. Am ersten Tag unserer Reise machten wir uns mit einem Kleinbus auf den Weg von Porte-au-Prince zur La Digue Schule. Unser Weg führte uns durch die sandigen Straßen der dörflichen Landschaft Haitis: Im kleinen Bach entlang der Straße wuschen Mütter die Wäsche ihrer Familien. Andere trugen mit Wasser gefüllte Krüge auf ihrem Kopf nach Hause. Ihre kleinen Hütten entlang der Straße waren zumeist eher Bretterverschläge, bewohnt von kinderreichen Familien.
La Digue Schule & Essensausgabe
Angekommen in der La Digue Schule, am Ende dieser schmalen Straßen und des Baches, waren wir dankbar, ein äußerst gepflegtes und modernes Bildungszentrum, umrahmt von einer kleinen Bananenplantage, vorzufinden. Die Projektpartner von Gebende Hände haben sich das Ziel gesetzt, die Gemeinschaft rund um das Projektareal zu stärken und zu fördern. Bildung steht dabei an vorderster Stelle: Die 1.100 Kinder werden vom Kindergarten bis hin zur 13. Klasse unterrichtet. Die Förderung umfasst berufliche und alltägliche Bildung wie Landwirtschaft, Nähen und Hygiene.
Die von Gebende Hände finanzierte Einrichtung gibt täglich etwa 2.700 Mahlzeiten an Schüler und zusätzliche Kinder der Umgebung aus. Für viele der Kinder ist es die einzige Mahlzeit des Tages. Wir halfen beim Austeilen des Mittagessens und wurden mit wunderschönem Gesang und freudestrahlender Dankbarkeit belohnt. Während des Essens konnten wir uns zu den Kindern setzen und auf Französisch mit ihnen ins Gespräch kommen und uns so aus erster Hand ein Bild über ihre positiven Erfahrungen im Programm machen.
Nach dem Essen konnten wir uns von den anderen Stützen der Community überzeugen: einer Brotbackmaschine, die mit Sonnenlicht betrieben wird, und einer Maschine zur Herstellung von Ziegelsteinen, mit deren Hilfe praktisch alle Gebäude auf dem Gelände erbaut wurden (Gebende Hände-Spende), einer kleinen christlichen Kirche, in der täglich Gottesdienste stattfinden, und der medizinischen Versorgung, durch die täglich etwa 40 Patienten behandelt werden können. Ein Projektmitarbeiter erzählte uns, dass manche Kranke 14 Stunden Fußweg in Kauf nehmen, um sich behandeln zu lassen, da die medizinische Versorgung derart rar ist.
Auf dem Rückweg über die sandige Straße hielten wir noch einmal inne und waren dankbar, dass den Kindern in diesem Projekt durch Bildung ein besseres Leben bevorstehen wird als am Rande des Baches.
Klinik Real Hope for Haiti
Von dort aus fuhren wir weiter über kurvige Bergstraßen ins Gebirge Haitis. Dort erwartete uns die von Gebende Hände geförderte Klinik Real Hope for Haiti. Sie gehört zu den ganz wenigen Kliniken im Lande und nimmt nur eine symbolische Gebühr von $ 1,50 pro Behandlung, wobei diese bei besonderer Bedürftigkeit entfällt. Daher war es nicht verwunderlich, dass wir schon auf dem Weg dahin Dutzende sahen, die teils mit Kleinkindern und mit mehreren auf einem Roller fuhren, um die Klinik nach stundenlanger Fahrt zu erreichen.
In der Klinik werden täglich etwa 250 Menschen behandelt. Diese Behandlungen umfassen, neben gesundheitlicher Aufklärung und Vorsorge, Akutversorgung und kleine Operationen. Der amerikanischen Ärztin und ihrem Team ist es ein großes Anliegen, Frauen während und nach ihrer Schwangerschaft zu betreuen. Schließlich ist eine Geburt für Mutter und Kind ein großes Gesundheitsrisiko. Das Team schenkt den werdenden Müttern „Geburtensets“, in denen alles enthalten ist, was ein Neugeborenes benötigt: Kleidung, Windeln, Medikamente, Seife, Decken …
Besonders berührend waren die Erläuterungen der Tochter des Projektgründers, die von gespendeten Medikamenten berichtete, die Tausenden nach dem gewaltigen Erdbeben das Leben retteten. Direkt neben der Klinik wurde ein kleines Zentrum für schwerkranke Kinder eingerichtet. Manche Kinder und Babys bleiben bis zu 18 Monaten, bis ihr Gesundheitszustand es zulässt, sie zu entlassen. Die Schicksale der kranken Kinder gingen uns sehr nah, und wir wären am liebsten geblieben, um jedem der Kleinen die Aufmerksamkeit zu schenken, die es verdient.
Church of Bible Understanding
Am zweiten Tag der Reise machten wir uns morgens früh auf den Weg zur Church of Bible Understanding, einem Waisenheim für die besonders Armen. Für die etwa 150 Kinder sorgen Erzieherinnen und Krankenschwestern und geben ihnen die Wärme, die sie in ihren eigenen Familien nicht mehr spüren werden: Die meisten der Kinder sind verwaist, ausgesetzt oder von ihren Familien abgegeben worden. Die Offenheit und Freude der Kinder – trotz ihrer Situation – war herzerwärmend. Wir sangen, lachten und spielten einige Stunden mit ihnen. Zu unserer Überraschung fanden sie besonders schnell gefallen an unseren Smartphones und machten die lustigsten Fotos mit uns. Umso schwerer fiel es uns, die Kinder zurückzulassen. Beim Gehen wollte ein kleines Mädchen, Étienne, gar nicht mehr von meinem Arm abgesetzt werden und fragte mich auf Französisch, ob ich sie nicht mitnehmen wolle in meine Heimat. Dieses liebe Gesicht und die vorsichtige Frage werde ich sicher nicht vergessen.
Schule & Kindertafel
Vom Kinderheim aus machten wir uns auf den Weg zu einem weiteren Projekt von Gebende Hände. Dort betraten wir die Father Jeri School, eine beeindruckende Schule mit 351 Schülern vom Kindergarten bis zum Abschluss der beruflichen Ausbildung. Die Kinder und Jugendlichen waren höflich und sehr gut in ihrer Schuluniform gekleidet. Hier wurde uns schnell klar: Die Hilfe ist angekommen und konnte wunderbar und an richtiger Stelle eingesetzt werden. Unsere Mitreisenden von Partnerwerken sorgten vorab für einige Geschenke für die Kinder, und so spielten wir vor dem gemeinsamen Mittagessen mit den heiß begehrten Bällen auf dem Pausenhof.
Das mithilfe von Gebende Hände verwirklichte „Food Program“ ermöglicht den Schülern sowie 1.000 weiteren Menschen, die in der Nähe der Schule leben, eine vollwertige Mahlzeit am Tag. Dafür wurden eigens Küchen eingerichtet, in denen die Dorfbewohner sich am Kochen beteiligen können und so eine gewisse Selbständigkeit erlangen.
Waisenhaus
Unser letzter Besuch führte uns in ein Waisenhaus in einem Vorort von Porte-au-Prince. Dort trafen wir auf Kinder und Jugendliche, die zumeist den größten Teil ihres Lebens in diesem Waisenhaus verbracht haben. Sie waren sehr herzlich und freuten sich sichtlich über unseren Besuch. Wir bereiteten zusammen mit dem Team eine traditionelle Bananensuppe zu und teilten sie dann an die Waisen aus. Beim Essen kamen wir ins Gespräch mit den Jugendlichen und bekamen einen Einblick, wie es sein muss, ohne Familie Zuflucht und Sicherheit in einer neuen Gemeinschaft zu finden. Ihr Optimismus und ihre Lebensfreude berührten uns.
Die ersten Eindrücke, die wir in der Innenstadt von Porte-au-Prince sammelten, bestätigten sich auf unserer Reise.
Wir waren jedoch überwältigt, wie tapfer die Kinder ihre Situation annehmen und mithilfe der Projekte an ein besseres Leben glauben. Sie gaben uns viel Zuversicht und noch mehr Motivation mit, uns für ihre Zukunft stark zu machen.