Eine gekürzte und bearbeite Fassung erschien im Druck als „Thesen und Anmerkungen zum Rezo-Video ‚Die Zerstörung der CDU‘“ in Evangelische Verantwortung (Zeitschrift des EAK der CDU/CSU) 7+8/2019: 9. Ab August im Download unter https://www.eak-cducsu.de/evangelische-verantwortung

1. Das Video von Rezo trägt erheblich zur Verrohung des deutschen Wahlkampfes bei.

Was in anderen Ländern längst Alltag ist und was uns die USA besonders unangenehm vor Augen geführt haben, nämlich Wahlkampf als Beschimpfung und moralische Infragestellung des politischen Gegners, hat Rezo nicht erfunden, aber für Deutschland auf ein neues Niveau der scheinbaren Selbstverständlichkeit gehoben. Wer diese Verrohung verhindern will, muss intensiv über das Rezo-Video diskutieren.

Der in dieser Sache sicher unverdächtige Spiegel legte in einem Faktencheck eine lange Liste von falschen Aussagen vor und findet „zu viel Angriffsfläche und zu viele belegbare Faktenfehler“. Trump hat zwar gezeigt, dass man mit oder wenigstens trotz Fakenews Wahlen gewinnen kann, aber keine demokratische Partei sollte über die Entwicklung für Deutschland erfreut sein, auch wenn sie momentan zufällig davon profitiert.

2. Wenn die Partei Die Grünen nichts mit dem Video zu tun hatte, hätten sie sich deutlich vom Stil des Videos von Rezo und von falschen Aussagen über ihre Partei distanzieren müssen.

Die Grünen haben das Video nach eigenen Aussagen nicht vorab gekannt. Rezo fordert auf, CDU, CSU, SPD, AfD und FDP nicht zu wählen, stattdessen empfiehlt er persönlich das Wählen der Grünen (ebenso noch deutlicher die 90 Blogger, die sich ihm anschlossen). Die Grünen haben sich aber von keinem Element des Videos distanziert, weder von dem beschimpfenden Stil noch von etlichen Falschaussagen über ihre Partei, etwa von der Aussage, die Grünen wären als Regierungspartei noch nie an einem Krieg beteiligt gewesen (Stichwort ‚Kosovo‘).

3. Wenn Populismus beinhaltet, dass einer behauptet, in Wahrheit für alle oder für die schweigende Mehrheit – hier der Jugend – zu sprechen, dann ist das Video von Rezo populistisch.

Dies gilt umso mehr für die anschließende Kampagne und die Medienberichterstattung. Denn selbst wenn man einmal davon ausgeht, dass Rezo für das Drittel der Jungwähler spricht, die eine Woche später Die Grünen gewählt haben, spricht er nicht für die anderen zwei Drittel. Diese Anderen erwähnt Rezo aber nur als Negativfolie.

4. Rezos Video ist populistisch, wenn zum Populismus gehört, einfache Lösungen für komplexe Probleme anzubieten.

Hier werden die Probleme dadurch gelöst, bestimmte Parteien nicht zu wählen. Ob die zum Wählen empfohlene Partei selbst nicht nur hehre Ziele hat, sondern auch gangbare Lösungen, wird ausgeblendet. Die hochkomplexe Frage, wie der Klimawandel aufzuhalten ist, wird auf das Kreuz am Wahltag reduziert.

Ganz am Ende wird mit fast religiöser Überhöhung eine Alternative aufgestellt: Entweder man kann durch das richtige Kreuz am Wahltag in einigen Jahren aufrecht und guten Gewissens sagen, man habe sich für die Rettung der Welt eingesetzt, oder man war an der Zerstörung der Welt mit schuld. Das ist Populismus pur.

5. Alle Forscher, die untersuchen, wie Demokratien zerstört werden, sehen als ein zentrales Element an, dass populistische Parteien anderen demokratischen Parteien die Existenzberechtigung absprechen und diese für alle Probleme des Landes verantwortlich machen.

Der Titel „die CDU zerstören“ bringt unmissverständlich zum Ausdruck, dass dieses Video ebenso in diese Reihe gehört wie etwa Donald Trump, der seinen zweiten Wahlkampf mit der Behauptung eröffnet hat, die Demokraten wollten die USA zerstören und jeder der sie wähle, habe eine Mitschuld, wenn die USA zerstört würden. Die CDU zerstört angeblich „unser Leben und unsere Zukunft“. So spricht man in einer Demokratie nicht über demokratische Mitbewerber, wenn man die Demokratie erhalten will.

Das Rezo-Video enthält nicht zufällig kein gutes Wort über Demokratien und die Pluralität der Parteien und Angebote an sich, es spricht von einer Situation, in der die meisten real existierenden Parteien am besten gar nicht existieren sollten.

6. Rezo ist ein normaler Erwachsener, der im Guten wie im Schlechten wie jeder anderer am politischen Betrieb Beteiligte, jeder andere Geschäftsmann und jeder andere Medienschaffende zu beurteilen ist.

Ein 26-Jähriger mit gewaltigen Werbeeinnahmen und einer eigenen Modemarke, der von der Zerstörung einer Partei spricht, ist sicher kein aufgeregter Teenager, dem man Dinge zugesteht, die man sonst Erwachsenen nicht zugesteht.

7. Professionalität, Zeitpunkt der Veröffentlichung und die folgende Social-Media-Kampagne lassen es als sehr unwahrscheinlich erscheinen, dass ein politisch bisher wenig erfahrener Blogger hier alleine gehandelt hat.

Keiner produziert ein derartig professionell gemachtes Video eine Woche vor der Wahl aus einer Augenblicksempörung heraus. Er ist entweder selbst langfristig planender Profi oder hat sich die Kampagne von einer Werbefirma oder anderen entwerfen lassen.

8. Es besteht ein berechtigtes, öffentliches Interesse daran, zu fragen, ob und wer das Drehbuch geschrieben hat und das Video und die darauf folgende Kampagne orchestriert und finanziert hat.

Das Video ist natürlich rechtlich keine direkte Wahlkampf- oder Parteienfinanzierung, aber wenn eine Wahlempfehlung für die Partei Die Grünen damit gekoppelt ist, die CDU zu zerstören und mehrere im Bundestag vertretene Parteien nicht zu wählen, besteht ein berechtigtes öffentliches Interesse über rein rechtliche Belange hinaus, wer das finanziert hat oder anderweitig ermöglicht. Mit Verschwörungstheorien hat das nichts zu tun. Im Falle von Rezo wird das berechtigte Interesse, wer sich hier so wirksam in den Wahlkampf einschaltet – das etwa genauso für die Finanzierung der AfD gilt – in der Mediendiskussion oft damit unterlaufen, dass angeblich ein junger Blogger anderen Spielregeln unterworfen sei. Warum eigentlich?

Es darf schon stutzig machen, dass ursprünglich das Impressum von Rezos Youtubekanal Tube One Networks GmbH als viSdP und Produzenten auswies und Rezo gar nicht erwähnte. Erst seit kurzem wurde das Impressum ergänzt. Jetzt steht vorneweg jeweils „Rezo c/o“. Tube One gehört zur STRÖER Content Group, Köln, die mit 12.000 Mitarbeitern einen Umsatz von 1,6 Milliarden erwirtschaftet. Dazu gehört auch die Plattform t-online.de, die Rezo fortlaufend als Helden gefeiert hat. Das müsste das Interesse investigativer Journalisten wecken.

9. Nach Hintergründen zu fragen, hat nichts mit Verboten zu tun.

Wäre es umgekehrt gewesen und ein Video „Die Grünen zerstören“ enthielte eine Wahlempfehlung für die CDU, würden die Medien intensiv nach den Hintergründen forschen, ein großes öffentliches Interesse geltend machen und auch sonst anders reagieren.

10. Nur Blogger können Bloggern Paroli bieten.

Wir brauchen dringend dieselbe breite politische Debatte unter Bloggern wie in anderen Bereichen der Gesellschaft. Alle demokratischen Parteien sollten im Web gleichermaßen unterwegs sein und diese Form der Kommunikation voll und ganz ernst nehmen.

11. CDU und CSU haben über weite Strecken das enorme Potential der sozialen Medien für den Wahlkampf, das Obama und Trump, aber auch die Brexitabstimmung erfolgreich genutzt haben, noch nicht wirklich verstanden.

Die Zukunft der CDU und der CSU wird sich deswegen auch daran entscheiden, ob es ihr gelingt, viele junge Blogger für ihre Sache zu gewinnen und durch sie zu beweisen, dass man ähnliche Kampagnen wie Rezo auch ohne eine lange Liste von Fakenews und ohne die üble Beschimpfung Anderer durchziehen kann.

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