Bericht des ISHR-Generalsekretärs Matthias K. Böhning

Am 27. Februar um vier Uhr morgens wurden die Menschen im Flüchtlingslager Buduburam in Ghana von Bulldozern aus dem Schlaf gerissen. Plötzlich begann die ghanaische Regierung an diesem Morgen, große Teile des Lagers abzureißen. 15.000 Menschen waren direkt betroffen und suchen seitdem Zuflucht in Notunterkünften in nahe gelegenen Kirchen und Schulen.

Das Flüchtlingslager wurde 1990 errichtet und beherbergt hauptsächlich Menschen aus Liberia und (in jüngerer Zeit) Burkina Faso, die vor dem Bürgerkrieg in ihren Ländern nach Ghana geflohen sind. Im Laufe der Jahrzehnte haben sich Zehntausende Menschen in Buduburam (das etwa 1,5 Stunden westlich der ghanaischen Hauptstadt Accra liegt und auch als „Liberia Camp“ bekannt ist) niedergelas­sen. Schätzungen zufolge leben insgesamt zwischen 45.000 und 60.000 Men­schen in dem Lager.

ISHR-Generalsekretär Matthias K. Böhning (links) und Professor Thomas Schirrmacher, Präsident der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (ISHR) (rechts), begutachten die Pässe von liberianischen Flüchtlingen im Lager Buduburam © ISHR/Martin Warnecke

Mitte Oktober 2022 kün­digte der Vorsitzende des Ghana Refugee Board, Professor Kenneth Agye­mang Attafuah, in Genf auf einer Sitzung des Exe­kutivausschusses des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) an, dass der ghanaische Staat das Flüchtlingslager auf eine „sichere, humane und effiziente Weise, die mit dem nationalen und internationalen Recht und den Menschen­rechtsverpflichtungen Ghanas vereinbar ist“, auflösen werde. Er sprach sowohl von der Rückführung der liberianischen Flüchtlinge in ihr Herkunftsland als auch von der Möglichkeit ihrer Integration in die ghanaische Gesellschaft. Laut Presseberichten erklärte Professor Attafuah in Genf, dass Ghana weiterhin seiner Verpflichtung nach­komme, die Sicherheit und Würde der Flüchtlinge und Asylsuchenden im Land zu schützen.

Diese Worte in Genf klangen gut, aber der 27. Februar spricht eine andere Sprache. Mit Bulldozern systematisch und großflächig Lehmhütten zu zerstören, in denen Menschen in Not eine einfache Unterkunft finden, mag „effizient“ sein. „Sicher“ und „menschlich“ ist dieser Ansatz jedoch nicht. Die Menschen in Buduburam warten noch immer auf eine offizielle Erklärung der ghanaischen Regierung, was genau am 27. Februar passiert ist und warum Teile des Lagers plötzlich auf so gewaltsame Weise zerstört wurden.

Professor Attafuah stellte in Genf in Aussicht, dass die Flüchtlinge eine sogenannte „Ghana Card“, einen ghanaischen Personalausweis, erhalten könnten. Dieser ermög­licht die vollständige Inte­gration in die ghanaische Gesellschaft durch Ar­beits- und Einkommens­möglichkeiten und ermög­licht auch den Zugang zu Bank- und Finanzdienst­leistungen, Sozialleis­tungen (Versicherungen und Gesundheitsversor­gung), Steuerzahlungen und die Möglichkeit, einen Führerschein zu beantra­gen oder eine SIM-Karte zu erhalten. Allerdings wis­sen weder der Koordinator des Flüchtlingslagers Bu­duburam, Dennis Gwion Dixon, noch George Ban­nerman, der seit vielen Jahren die humanitäre Hilfe im Lager koordiniert, von Flüchtlingen zu berichten, die bisher eine solche Ghana Card erhalten haben.

Matthias K. Böhning, (links) und Professor Thomas Schirrmacher (Mitte) besichtigen den Ort der Zerstörungen vom 27. Februar zusammen mit Dennis Gwion Dixon, Koordinator des Buduburam Flüchtlingslagers (rechts) © ISHR/Martin Warnecke

Die Realität im Flüchtlingslager steht in krassem Gegensatz zu den Worten des Vorsitzenden des Ghana Refugee Board, der in Genf erklärt hatte:

„Die Ausgabe der Ghana Card an Flüchtlinge ist ein wichtiger Schritt, um die soziale und finanzielle Eingliederung aller Flüchtlinge zu gewährleisten. Unsere Politik ist, dass Flüchtlinge, wer auch immer sie sind, woher sie kommen, wo auch immer sie sich in Ghana befinden und zu welcher Zeit auch immer, Zugang zu Dienstleistungen auf dem gleichen Niveau wie ihre ghanaischen Gastgeber haben müssen.“

Professor Attafuah erhielt viel Lob für dieses Engagement, unter anderem vom Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Filippo Grandi, der seine Freude über das Konzept zum Ausdruck brachte, Flüchtlinge in den Erwerb der Ghana Card einzubeziehen und ihnen den Zugang zu verschiedenen Einrichtungen und Dienstleistungen zu ermöglichen, und diesen Ansatz als „äußerst wichtig“ bezeichnete.

In der Zwischenzeit wurden jedoch für Menschen aus Liberia im Flüchtlingslager Buduburam liberianische Pässe ausgestellt. Bei einem persönlichen Besuch am 17. April 2024 wurden dem Präsidenten der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (ISHR) Professor Thomas Schirrmacher und dem ISHR-Generalsekretär Matthias K. Boehning Pässe von Kindern, jungen Erwachsenen und älteren Menschen gezeigt. In allen war eine befristete Aufenthaltserlaubnis des ghanaischen Staates eingeklebt, die jedoch den ausdrücklichen Vermerk „Keine Erwerbstätigkeit erlaubt“ enthält, wodurch jegliche Arbeits- und Einkommens­möglichkeiten in Ghana ausgeschlossen sind. Eine Integration in die ghana­ische Gesellschaft ist für diese Menschen daher unmöglich.

Dennis Dixon zeigt der ISHR- Leitung das Ausmaß der Zerstörung © ISHR/Martin Warnecke

Die Strategie der ghana­ischen Regierung scheint daher vollständig darauf ausgerichtet zu sein, die Flüchtlinge nach Liberia zurückzuführen. Dies be­rücksichtigt jedoch in mehrfacher Hinsicht nicht die Lebensrealität der Menschen. Zum einen leben viele der Flüchtlinge seit Jahrzehnten in Ghana, wenn sie nicht sogar in Ghana geboren wurden. Das bedeutet, dass all ihre Netzwerke aus Familie, Freunden und Bekannten sowie ihr gesamtes Know-how zur Bewältigung des täglichen Lebens in Ghana und nicht in dem potenziell fremden Land Liberia existieren. Zweitens erhalten die Flüchtlinge bei einer Rückführung nach Liberia weder finanzielle noch administrative Unterstützung, was eine erfolgreiche Integration in die liberianische Gesellschaft und den liberianischen Arbeitsmarkt nahezu unmöglich macht. Sowohl Dixon als auch Bannerman kennen Geschichten von liberianischen Flüchtlingen, die nach einer freiwilligen Rückführung nach Liberia aus den genannten Gründen wieder ins Flüchtlingslager Buduburam in Ghana zurückgekehrt sind.

Wenn der von der ghanaischen und der liberianischen Regierung bevorzugte Plan, die Menschen nach Liberia zurückzuführen, nicht funktioniert, kann dies aus staatlicher und administrativer Sicht zu ärgerlichen Komplikationen führen. Diese rechtfertigen jedoch unter keinen Umständen scheinbar „einfache Lösungen“ wie die Zerstörung der spärlichen Unterkünfte der Menschen, wie sie am 27. Februar stattgefunden hat. Solche menschenverachtenden Aktionen gegen die Flüchtlinge verschlimmern nur deren Notlage und führen mö­glicherweise zu Enttäu­schung, Frustration und sozialen Spannungen, die schnell in Gewalt umschla­gen können.

Dennis Gwion Dixon, (zweiter von links), Koordinator des Flüchtlingslagers Buduburam, Matthias K. Böhning, (dritter von links), Generalsekretär der ISHR, George Bannerman, (dritter von rechts), der seit vielen Jahren die humanitäre Hilfe im Lager koordiniert, und Professor Thomas Schirrmacher, (zweiter von rechts), Präsident der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (ISHR) © ISHR/Martin Warnecke

Die Menschen im Flücht­lingslager Buduburam brauchen echte Perspek­tiven für eine erfolgreiche Integration in die ghanai­sche Gesellschaft. Die ghanaische Regierung muss ihren Worten in Genf Taten folgen lassen. Die ISHR wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass das Schicksal der Menschen im Flüchtlingslager Budu­buram nicht vergessen wird und echte Lösungen geschaffen werden. Die gemeinnützige Organisation „Giving Hands“, die ein enger Kooperationspartner der ISHR ist, leistet unterdessen weiterhin finanzielle Unter­stützung, um die Grundbedürfnisse der Menschen in Buduburam nach Nahrung, Wasser und Medikamenten zu decken, wie sie es seit vielen Jahren tut.