Ein Seminar des IIRF und CISG beim Global Media Forum

Pressemitteilung des Global Media Forum: http://www.dw.com/en/does-social-media-help-promote-extremism-and-populism/a-39343062

Seitdem die Verbreitung von extremistischen Ideologien und Populismus über das Internet weltweit immer offensichtlicher wird, stehen Medien und Soziale Netzwerke zunehmend in der Kritik. Experten halten dies jedoch für einen bequemen Vorwand, weitaus komplexere gesellschaftliche Belange unter den Teppich zu kehren.

CISG und IIRF als Partner am Eingang des Global Media Forums © BQ / Schirrmacher

CISG und IIRF als Partner am Eingang des Global Media Forums © BQ / Schirrmacher

Nachdem Terroristen am 3. Juni 2017 in London einen Lieferwagen in eine Gruppe Fußgänger gesteuert hatten, warf die britische Premierministerin Theresa May Internetunternehmen wie Google und Facebook vor, extremistischen Ideologien einen Rückzugsraum zu gewähren, durch die sie sich „fortpflanzen“ können. May forderte Großbritannien auf, demokratischen Regierungen dafür ein Beispiel zu geben, „internationale Abkommen zur Regulierung des Cyberspace zu verabschieden, die den virtuellen Raum vor der Ausbreitung von Extremismus und terroristischen Planungen schützen sollen“.

Im Global Media Forum des Auslandssenders Deutsche Welle stand die Diskussion über die Rolle der Medien bei der Begünstigung von Extremismus und Populismus im Mittelpunkt. Journalisten und Experten kamen zusammen, um die Frage zu erörtern, wie Menschen radikalisiert werden, wie Regierungen die Medien manipulieren und ob Sozialen Netzwerken die Schuld dafür gegeben werden kann.

Ahmad Mansour ist ein führender internationaler Experte im Bereich Radikalismus, der mit gefährdeten Jugendlichen arbeitet, um dessen Wurzeln ausfindig zu machen. Er hielt einen Vortrag bei einer Podiumsdiskussion des Global Media Forum zu dem Thema „Ist Radikalisierung die Lösung für meine Suche nach Identität?“. Veranstalter waren das Center for International Security and Governance (CISG) und das Internationale Institut für Religionsfreiheit (IIRF).

Mansour, der als israelischer Araber aufgewachsen ist, sagte, als Teenager sei er Islamist gewesen. Nach seinem Psychologiestudium habe er aber seine Ansichten geändert. Mansour bemerkte, dass viele Islamisten tatsächlich „gute Psychologen“ seien, die jungen Menschen ihre Identitätsverwirrung und fehlenden Ziele abspürten und sich dies zunutze machten, um sie zu einem Identitäts- und Orientierungsgefühl zu nötigen. Mansour erklärte, dass Medien eher gefährdeten Individuen die Identifizierung mit einer Gruppe ermöglichten, als dass sie direkt zum Extremismus beitrügen.

Ahmad Mansour © Heike Steinweg

Ahmad Mansour © Heike Steinweg

Laut Mansour sind Vereinsamung, fehlende Identität und schwierige Familienverhältnisse die Hauptursachen, ob jemand für extremistisches Gedankengut empfänglich ist. Er betonte, dass die Zivilgesellschaft eine neue Definition von Gewalt benötige.

„Gewalt fängt nicht erst an, wenn wir einander abschießen“, sagte er. „Verschwörungstheorien sind auch eine Form von Gewalt, ebenso wie üble Nachrede und andere Menschen in Angst zu versetzen.“

„Ein Radikaler braucht ein Netzwerk“

Obwohl das Internet weitestgehend als Hauptursache für den Extremismus betrachtet wird, würden Forschungsergebnisse diese Theorie überwiegend nicht bestätigen, vertrat Christine Schirrmacher, Professorin der Islamwissenschaften an der Universität Bonn, während der Diskussion.

„Der wirkliche Ausgangspunkt ist eine persönliche Verbindung zu einem Mentor und einer Gruppe“, sagte sie. „Ein Reaktionsspielraum und eine persönliche Verbindung sind notwendig.“ Sie fügte hinzu, dass Menschen, die alleine online extremistisches Gedankengut verbreiteten, sehr wahrscheinlich nicht diejenigen wären, die andere radikalisierten. „Ein Radikaler braucht ein Netzwerk“, sagte sie.

Einige Gruppen von Medienexperten mahnten während der Diskussion die Medien zur Achtsamkeit bei der Darstellung terroristischer Handlungen. Ausdrucksweisen, die zu Stereotypen oder Vorurteilen bei der Schilderung von Radikalisierung beitragen könnten, sollten vermieden werden. Andere sagten, die Medien könnten dazu beitragen, ein positiveres Bild zu kreieren, in dem sie Berichte über Menschen, die sich trotz sozialer Schwierigkeiten nicht radikalisieren ließen, veröffentlichen würden.

Kulturelle Vereinsamung und Verwirrung

Der an der Podiumsdiskussion teilnehmende iranische Journalist und politische Berater Mohammed Hashemi sagte, seiner Erfahrung nach bedeute das Leben in einer fremden Kultur, die Betroffenen müssten entweder proaktiv sein oder sie würden vereinsamen. „Terrorgruppen wie der IS können Menschen etwas Abenteuerliches bieten, ihnen eine Waffe geben und ihnen ein aufregendes Leben versprechen“, sagte er. „Stellen Sie sich vor, jemand fühlt sich alleingelassen und Sie würden ihm all das geben.“

Beschreibung des Workshops mit Biografie

Radikalisierung als Identitätssuche: Was Medien vorher und nachher ausrichten können und sollten

Nach einer kurzen Einführung über die Relevanz des Themas für Medien und die globale Sicherheit werden zwei Experten anhand aktueller Forschungsergebnisse und ihrer persönlichen Erfahrungen darlegen, wie Radikalisierung funktioniert und in welchem Zusammenhang sie zur Suche und zum Verlust von Identität steht. Die Experten werden die Thematik über persönliche Fallstudien bis hin zu globalen Perspektiven erarbeiten.

Christine Schirrmacher beim Vortrag im Global Media Forum © BQ / Schirrmacher

Christine Schirrmacher beim Vortrag im Global Media Forum © BQ / Schirrmacher

Der Workshop wird sich in Kleingruppen um die Frage drehen, wie Medien über die Lebensgeschichte derer berichten können, die radikalisiert und über diejenigen, die entradikalisiert wurden, ohne dass diese Berichterstattung zu weiteren Radikalisierungen beiträgt, sondern Mediennutzern hilft, eine selbstbewusste Identität über Extremismus und Gewalt hinaus zu finden.

Die Ergebnisse werden über die Experten zu der Frage, welche Rolle Medien in der Radikalisierung spielen und was Medien unternehmen können und sollten, um Radikalisierung entweder zu verhindern oder Entradikalisierung zu unterstützen, in die abschließende Plenumsdiskussion hineingetragen.

Moderator

Prof. Dr. theol. Dr. phil. Thomas Schirrmacher, PhD, ThD, DD, erwarb drei Doktortitel in ökumenischer Theologie, Kulturanthropologie und Vergleichender Religionswissenschaft und ist Professor für Religionssoziologie an der staatlichen ‚Universität des Westens‘, Timisoara, Rumänien. Als Präsident des Internationalen Rates der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte und Direktor des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit (Bonn, Kapstadt, Colombo, Brasília) sagt er regelmäßig als Experte vor Parlamenten in aller Welt und vor UN-Gremien aus. Er hat 102 Bücher geschrieben und herausgegeben; seine neuesten sind: „Fundamentalismus – Wenn Religion gewalttätig wird“, „Rassismus“, „Menschenrechte“, „Unterdrückte Frauen“ und „Menschenhandel“. Die bekannte deutsche Zeitung „Die Welt“ bezeichnet ihn als einen der drei führenden Experten in Sachen Religionsfreiheit und „Papst Franziskus’ liebster Protestant“.

Einführung

Prof. James D. Bindenagel war viele Jahre für die USA als Diplomat und Botschafter in verschiedenen Ländern tätig. Später wurde er ein führender Experte für transatlantische Beziehungen und Vizepräsident der DePaul Universität in Chicago. Seit 2014 ist er Direktor und Professor am Center for International Security and Governance (CISG) an der Universität Bonn.

Experte 1

Ahmad Mansour wurde in einer arabischen Familie in Israel geboren und wurde als Teenager in den Islamismus hineingezogen. Er studierte Psychologie in Tel Aviv und kam 2004 nach Deutschland, wo er eine Anti-Gewaltkampagne und ein Entradikalisierungszentrum für radikalisierte Jugendliche ins Leben rief. Er arbeitet für das „Center for Democracy“ in Berlin und für die EU in Brüssel. Er ist Autor des Buches „Generation Allah“.

Expertin 2

Prof. Dr. habil. Christine Schirrmacher ist Professorin für Islamwissenschaften an der Universität Bonn in Deutschland und der Evangelisch-Theologischen Fakultät (ETF) in Leuven/Belgien. Sie lehrt an mehreren Bundesbehörden und Sicherheitsinstitutionen wie dem Auswärtigen Amt. Sie wurde kürzlich vom Bundesinnenminister zum Mitglied des wissenschaftlichen Beirat der Bundeszentrale für politische Bildung und zum Kuratoriumsmitglied des Deutschen Instituts für Menschenrechte ernannt. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Veränderungsprozesse von Kultur, Gesellschaft, Gesetz und Theologie in der muslimischen Welt, besonders Extremismus gegen Frauen- und Minderheitenrechte sowie der interreligiöse Dialog.


Downloads and Links:

  • Foto 1: CISG und IIRF als Partner am Eingang des Global Media Forums © BQ / Schirrmacher
  • Foto 2: Ahmad Mansour © Heike Steinweg
  • Foto 3 und Foto 4: Christine Schirrmacher beim Vortrag im Global Media Forum © BQ / Schirrmacher
  • Foto 5: CISG und IIRF als Partner am Eingang des Global Media Forums © BQ / Schirrmacher
  • Foto 6: Ahmad Mansour © Pamela Haling
 

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