Statements von Thomas Schirrmacher bei einer Podiumsdiskussion am 15.9.2014 im Deutschen Bundestag bei dem C-Kongress der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag Menschenrecht Religionsfreiheit – Podiumsdiskussion „Wie schützen wir verfolgte Christen?“

Abschrift der Auszüge dieser Aufnahme (16.9.2014).

Die gesamte Abschrift finden Sie hier als PDF-Download.

Hier ein kleiner Auszug:

Tanja Samrotzki, Journalistin, Moderatorin:

… Ich stelle auch Herrn Schirrmacher noch kurz vor … Sie kennen Thomas Schirrmacher sicher als Pionier in Sachen Religionsfreiheit. Er ist Vorsitzender der Theologischen Kommission der Weltweiten Evangelischen Allianz, die etwa 600 Millionen evangelische Christen weltweit vertritt. Und Thomas Schirrmacher hat 2006 das Internationale Institut für Religionsfreiheit gegründet und ist auch dessen Direktor. Prof. Dr. Dr. Thomas Schirrmacher ist zudem Präsident des Internationalen Rates der International Society for Human Rights. Er hat eine Professur für Religionssoziologie in Rumänien und eine für globale Ethik und internationale Entwicklung in Indien. … Ich möchte auch Ihnen kurz die Gelegenheit geben, dass Sie Stellung nehmen zu dem, was wir gehört haben.

Minuten 43:12 bis 59:45 bis 49:20

Ich möchte unterstreichen, dass wir beim Thema „Menschenrechte und Religionsfreiheit“ gewaltigen Nachholbedarf haben. Wir haben keine akademischen Einrichtungen weltweit, die sich damit beschäftigen. Das gilt für Jura, Religionswissenschaft und Theologie gleichermaßen. Es ist eine der Aufgaben unseres Instituts, das in die Gänge zu bringen, aber es ist ein mühsames Geschäft.

Ich bin vor einer Woche in Straßburg gewesen; dort hatten wir ein ökumenisches Treffen, wie es ökumenischer nicht geht: Drei päpstliche Kommissionen des Vatikans, Weltkirchenrat, Weltweite Evangelische Allianz, Russisch-Orthodoxe, Griechisch-Orthodoxe usw. – alle waren da. Und es ging darum: Wer kann aussagekräftige und zuverlässige globale Daten zur Verfügung stellen. Wir konnten nur feststellen: Uns fehlen Ansprechpartner, selbst im Vatikan. Es gibt durchaus Leute, die das Thema unterstützen, aber es ist nicht institutionalisiert. Wir können gerade einmal abfragen, wie viele katholische Bischöfe und Priester ums Leben gekommen sind, weitere Daten sind auf Abruf nicht verfügbar. Der Papst hat uns hoch und heilig versprochen, das zu ändern. Das Interesse daran ist sehr groß. …

Tanja Samrotzki, Moderatorin:

Herr Schirrmacher, wäre das denn nicht genau jetzt die Zeit, eine internationale Allianz zu schmieden? Wir haben schon erwähnt, es gibt in Kanada und USA Bestrebungen. … Vielleicht können Sie uns ein Update geben. Und wäre es nicht auch gut – wir haben früher gesagt, wir brauchen einen Mr. oder eine Mrs. Außenpolitik für die EU, und wäre es nicht auch gut, wir hätten einen Sonderbotschafter für Religionsfreiheit, und wie stehen da die Chancen?

Minuten 1:15:30 bis 1:19:32

… Ein wunder Punkt: Es wurde gesagt, die deutschen Politiker tun so viel. Ich bin jetzt einmal so frei und schreibe Ihnen etwas ins Stammbuch, obwohl die nicht hier sind, die es betrifft. Wir müssen nüchtern sehen: International, aber auch hier im Bundestag ist die Problematik, dass die Frage, ob man sich für Religionsfreiheit einsetzt, bei vielen untrennbar verquickt ist mit ihrer persönlichen Auseinandersetzung mit Religion. Also wenn sie selber mit dem Christentum ‚auf Kriegsfuß‘ stehen, setzen sie sich für alle möglichen religiös Unterdrückten ein, aber wenn es um Christen geht, haben sie Probleme.

Das Ergebnis haben wir hier bei einer Anhörung vor dem Menschenrechtsausschuss live erlebt, da spiegelten die meisten Leute, die hier saßen, um als Experten über Religionsfreiheit in Europa zu reden, die verschiedenen Parteien wider. Die Atheisten sagten, wie schrecklich es ihnen geht, die Muslime sagten, wie schrecklich es ihnen geht, jeder sagte, wie schrecklich es seinen Gesinnungsgenossen geht. Doch Religionsfreiheit ist wie Folterverbot kein eingeschränktes Menschenrecht, das für bestimmte Gruppen mehr oder weniger gilt. Wir kommen nur voran, wenn wir diese Phalanx durchbrechen, wenn die Atheisten sagen, ja wir wollen Religionsfreiheit für Atheisten, aber Religionsfreiheit ist nicht teilbar, wir wollen sie für alle. Religionsfreiheit für Atheisten bekommen wir nur, wenn auch Christen Religionsfreiheit haben – und die Christen eben umgekehrt, wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen.

Doch ich sehe gerade bei Politikern, nicht nur in Deutschland, sehr stark ausgeprägt, dass die persönliche innere Auseinandersetzung, das Ringen, wo sie selbst stehen, voll durchschlägt. Bei anderen politischen Themen ist das nicht zwangsläufig so, es kommt vor, aber bei kaum einem Thema schlägt es so durch, dass man meistens daraus, für wen sich die Politiker einsetzen, auf ihr persönliches Verhältnis zur Religion schließen kann. Die einen sagen, man muss als Erstes den Islam erwähnen. Ich habe vorhin nicht im Ernst gesagt: Für uns Christen war es von Vorteil, dass jetzt die Jesiden verfolgt werden, weil viele jetzt sagen können: Jesiden und Christen werden verfolgt. Und deshalb kann man viel besser darüber reden. Nun bin ich der letzte, der nicht über die Verfolgung der Jesiden reden will – aber es ist doch eine Schande: Es werden Menschen umgebracht!, das muss ich doch benennen können, ohne gleich sagen zu müssen: Oh jetzt habe ich aber vergessen, noch die zu nennen und jene zu erwähnen. Es ist einfach eine Schande, dass Menschen wegen ihrer innersten Überzeugung getötet werden, diskriminiert werden, und das müsste doch für alle klar sein. Es müsste im Bundestag, wenn es zu einer Abstimmung zur Religionsfreiheit kommt, immer 100% aller Stimmen dafür geben! Man kann doch nicht über Artikel 18 der Menschenrechtserklärung abstimmen, je nachdem, was man selbst mit dieser oder jener Religion erlebt hat! Es haben gefälligst alle dafür zu sein, dass alle Menschen in Freiheit eine Religion oder keine Religion haben dürfen, egal was die Politiker selbst privat glauben!

 

2 Kommentare

  1. Schnabel sagt:

    Sehr geehrter Herr Schirrmacher,

    vielen Dank für diese Einblicke und die Beobachtungen, die Sie mit uns teilen.

    Zitat: „Es müsste im Bundestag, wenn es zu einer Abstimmung zur Religionsfreiheit kommt, immer 100% aller Stimmen dafür geben! Man kann doch nicht über Artikel 18 der Menschenrechtserklärung abstimmen, je nachdem, was man selbst mit dieser oder jener Religion erlebt hat! Es haben gefälligst alle dafür zu sein, dass alle Menschen in Freiheit eine Religion oder keine Religion haben dürfen, egal was die Politiker selbst privat glauben!“

    Das trifft den Nagel auf den Kopf: Vielen Dank! Ich habe dabei auch immer den Eindruck, Religionsfreiheit ist ein bedeutender Eimer, den jeder selbst und anders füllt.

    Können Sie mir eine Quelle/ ein Werk nennen (gerne auch von Ihnen), bei dem mal ausgebreitet wird, was das ist und was sie nicht ist? Und zwar in einer Art und Weise, dass man es auch als Nicht-Jurist versteht? Insbesondere interessiert mich, inwieweit die Thematik Mission/ Evangelisation davon berührt wird: Was wird gedeckt? Welche Grundaussagen können getroffen werden.

    In Marburg hatte ich mal in einem Kreis einer „Entschieden für Christus“ (EC) Gruppe eine krasse Erfahrung gemacht: Wir hatten Nachbarn zu einem offenen Abend einladen wollen. Dazu klingelten wir, übergaben die Einladungskarte, ein paar freundliche Worte – weiter (wir wollten gerade nicht den Eindruck erwecken, zu belästigen). Bei einem Haus (viele Parteien), stand die Vermieterin zufällig unten und untersagte uns, bei den Familien zu klingeln und sie in den Gottesdienst oder was auch immer (ihr war es egal; es war christlich), einzuladen.

    Lustiger weise kamen später genau aus jenem Haus einige Leute zu dem offenen Abend und waren begeistert. Als sie davon hörte, dass man bei ihnen nicht klingeln durfte (weil ja Mission), waren sie empört. Im Grunde hat man ihnen – um sie angeblich zu schützen – ihre Freiheit genommen. Sie konnten nicht mehr selbst bestimmen, ob sie eine Einladung zu einem offenen Abend, einen Gottesdienst oder ein Gebetskreis annehmen durften.

    Das kann man auf eine Gesellschaft/ Staat übertragen, der sich, wie etwa gerade in Russland, gegen die Verkündigung des Evangeliums – oder jeden anderen religiösen Inhalt – ausspricht und missionarische Aktionen per se verbietet. Ich versuche Leuten das Negative an „Verbot von Mission“ seither mit diesem Beispiel zu erklären und ihnen aufzuzeigen, dass auch dieses Element zur Religionsfreiheit gehören muss (sonst beschneidet es Sender und Empfänger in ihren Grundrechten). Bei vielen beiße ich aber auf Metall.

    Daher wäre es wirklich nützlich, wenn sie eine Quelle nennen könnten, in der Religionsfreiheit entfaltet wird. Vielleicht kann ich mit etwas offiziellen bzw. mit wissenschaftlicher Niveau besser argumentieren (meine Gesprächspartner sind oft Studenten an der Uni; ich besuche eine christliche Hochschulgruppe: SMD Mannheim).

    Weiterhin wünsche ich Ihnen Gottes Segen für ihr Werk und Wirken.

    Mit freundlichen Grüßen aus Mannheim
    Stefan Schnabel
    INSIGHT Mannheim | SMD Mannheim International

    • Schirrmacher sagt:

      Der Klassiker auf englisch ist der von uns herausgegeben Band des UN-Beauftragten Heiner Bielefeld, „freedom of Religion an Belief“. Ich selbst habe viel zum Thema veröffentlicht, auch zur Definition, aber auch zum Verhältnis Mission & Religionsfreiheit. Wenn Sie mir ihre email-Adresse geben, schicke ich ihnen einiges zu.

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