Diese Meldung stammt ursprünglich aus dem Jahr 2015 und ist bisher nicht in meinem Blog erschienen.
(Bonn, 13.02.2015) Anlässlich eines Empfangs der First Lady von Honduras für die Spitze der Weltweiten Evangelischen Allianz gab der WEA-Botschafter für Menschenrechte der Presse gegenüber folgende Stellungnahme ab:
Ist Kirchenasyl ein Versuch der Kirchen, eine Art christliche ‚Scharia‘ über das Grundgesetz zu stellen? Mitnichten. Kirchenasyl ist erklärter Maßen kein Versuch, das Grundgesetz zu ersetzen, sondern geschieht unter ausdrücklicher Berufung und Bestätigung des Grundgesetzes.
Deutschland ist das einzige Land der Erde, das in seiner Verfassung ein Widerstandsrecht verankert hat. In Artikel 20 (4) des Grundgesetzes heißt es:
„Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“
Die Befürworter des Kirchenasyls glauben, dass in den konkreten Fällen das im Grundgesetz garantierte Asylrecht nicht umgesetzt wird, und versuchen, dieses Recht vorübergehend zu schützen, bis jeweilen eine Lösung gefunden wurde.
Ich kann nicht beurteilen, inwieweit dies im Einzelfall tatsächlich so ist. Und man mag das im Einzelfall oder grundsätzlich anders sehen. Auch muss man damit leben, dass der Staat jederzeit sein Gewaltmonopol gegenüber den beteiligten Kirchengemeinden durchsetzen kann. Aber die Motivation derer in Frage zu stellen, die für konkrete Flüchtlinge Kirchenasyl organisieren, indem man sie mit Menschen vergleicht, die gegen Menschenrechte sind, unsere Werteordnung umstürzen wollen oder alle Menschen zwingen wollen, nach ihren religiösen Vorstellungen zu leben, ist völlig abwegig.
Das Kirchenasyl wendet sich mitnichten gegen unsere demokratische Grundordnung, sondern lebt von ihr her.
3 Kommentare
Sehr geehrter Herr Prof. Schirrmacher,
das in Artikel 20 Abs. 4 unseres Grundgesetzes eingeräumte Widerstandsrecht bezieht sich nur auf Fälle, in denen versucht wird, die demokratische Ordnung des Grundgesetzes zu beseitigen. Das Widerstandsrecht gilt auch nur dann, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Ein typischer Fall für den Widerstandsartikel wäre ein Putschversuch, wie der Kapp-Putsch in der Weimarer Republik.
Solange unsere staatliche Ordnung jedoch funktioniert, muss derjenige, der sich durch staatliches Handeln in seinen Rechten unzulässig behandelt fühlt, dies vor dem Verwaltungsgericht und den Obergerichten bis zum Bundesverfassungsgericht geltend machen. Wessen Meinung auch vor dem Bundesverfassungsgericht und ggf. vor dem EU-Gerichtshof nicht bestätigt wird, darf aber immer noch nicht das Recht in die eigene Hand nehmen. Er kann aber im Falle von Asylverfahren die zuständige Härtefallkommission anrufen.
Siehe z. B. http://hessenschau.de/gesellschaft/haertefallkommission-gewaehrt-fluechtling-vor-abschiebung,fluechtling-haertefall-100.html und
https://innen.hessen.de/buerger-staat/haertefallkommission
Der Hinweis auf den Widerstandsartikel in Zusammenhang mit Asylverfahren ist jedenfalls völlig unrichtig.
Grundsätzlich gilt für Christen, dass sie der Obrigkeit untertan sein sollen (Röm 13,1f), andererseits allerdings sollen sie Gott mehr gehorchen als den Menschen (z. B. Apg 5,29). Dieser letzte Fall scheint mir jedoch bei Kirchenasyl nicht vorzuliegen. Statt Kirchenasyl haben wir die Härtefallkommission.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Rieß
Ich hatte das auch nicht so verstanden, dass sich das Kirchenasyl aus Artikel 20 Abs. 4 ergibt, sondern habe über die Motivation gesprochen, die sich eben nicht aus einer Art christlicher Scharia ergibt (so der Vorwurf). Rom 13,1 ist natürlich gültig. Nur welches Gesetz übertritt zB der Pfarrer einer Kirchengemeinde mit Kirchenasyl denn wirklich? Bestenfalls begeht er Ordnungswidrigkeiten und oft noch nicht einmal das. Es gibt doch keine gesetzliche Verpflichtung zu sagen, wo sich der Asylsuchende X gerade findet. Das Kirchenasyl funktioniert doch nur, weil der Staat in der Regel darauf verzichtet, Rom 13,1 in diesen Fällen durch zu setzten. Das ist gewissermaßen das Spiel. Meist ist ja auch kein Geheimnis, wo die Asylanten sind und die Kirchen „verteidigen“ ihre Gebäude ja nicht, wenn die Polizei legal Haussuchung machen will. Aber selbst wenn man gegen Kirchenasyl ist: Der Kern meines Artikels ist doch: es gibt keine christliche Scharia und das Ziel des Kirchenasyls ist es nicht, irgendein christliches Gesetzen an die Stelle des Grundgesetzes zu stellen. – Danke für ihren Kommentar!
Kirchenasyl ist strafrechtlich relevant.
Es geht dabei für den Flüchtling um die Strafvorschriften des § 95 Aufenthaltsgesetz. Wir dürfen hierbei bei Flüchtlingen keine falschen Hoffnungen wecken.
http://www.gesetze-im-internet.de/aufenthg_2004/BJNR195010004.html
Für den Kirchenasylgewährenden kommen im Zusammenhang damit in Frage:
§ 26 Strafgesetzbuch (StGB): Anstiftung,
§ 27 StGB: Beihilfe,
§ 257 StGB: Begünstigung,
In der Praxis kommt es allerdings wohl nicht oft zu Verurteilungen, wohl aber zu Verfahren.