Doppelmoral (Teil 2)

(1) Im Heft vom 14.03.2019 kritisiert der STERN in einem groß aufgemachten Beitrag „Ihr da oben!“, dass in Deutschland zwölf Familienclans so viel besitzen, wie die ärmere Hälfte der deutschen Gesellschaft zusammen.

Die Doppelmoral, die für große Medienanstalten nicht ganz untypisch ist, besteht darin, dass der STERN selbst einem solchen Familienclan gehört. Das wird aber natürlich verschwiegen. Der STERN gehört dem Verlagshaus Gruner + Jahr, einem Unternehmen der Bertelsmann Media Group, die maßgeblich von der deutschen Familie Mohn kontrolliert wird.

Wenn es moralisch verwerflich ist, dass eine Familie enorm viele Aktien besitzt, wie der STERN es in seinem Beitrag vorgibt, dann ist die Existenz des STERN selbst verwerflich.

Was ist dann richtig?

(2) Wechseln wir aber mal in das Lager grundsätzlicher ethischer Überlegungen über: Wenn der STERN offensichtlich großen Aktienbesitz im Familienbesitz für verwerflich hält, hätte er andeuten sollen, was er denn stattdessen für richtig hält:

  • Sind große Aktiengesellschaften oder Firmen an sich verwerflich, und der STERN will sich für mittelständische Unternehmen stark machen? Damit ist er jedenfalls bisher nicht aufgefallen. Es gibt Beispiele, wo diese mittelständische Unternehmen genauso vom STERN unter Generalverdacht gestellt werden.
  • Wenn Aktiengesellschaften an sich erlaubt sind: Sind große Aktiengesellschaften nur verwerflich, wenn die Aktienmehrheit im Besitz von Familien ist? Dann wäre die Lösung also Streubesitz im großen Stil, ganz ohne Großinvestoren – also von ganz vielen Menschen, die wenig besitzen.

Wenn das gemeint ist, hätte ich zwei Fragen bezüglich der Alternativen:

  1. Allgemein sagt man, dass die Verantwortlichkeit und Langfristigkeit („sustainability“) bei Aktiengesellschaften mit stark engagierten Familien wesentlich mehr gesichert sind als ohne solche Familien, wo am Ende eigentlich niemand mehr als Verantwortlicher greifbar ist, sondern bei Skandalen einfach Personal ausgetauscht wird und der sog. shareholder value alles bestimmt.
  2. Wer übt am Ende die Kontrolle aus, wenn der Aktienbesitz komplett unter ganz vielen Menschen, die wenig besitzen, verteilt ist? Wird es dann nicht noch unübersichtlicher, wie der Vorstand ausgewählt wird? Denn die Masse der Aktienbesitzer werden selten an Aktionärsversammlungen teilnehmen können und werden kaum die Kandidaten für den Vorstand einschätzen können. Und werden die Menschen, die dann in den Vorstand berufen werden, so viel Verantwortung zeigen, wie Vertreter von Familienvermögen das tendenziell eher tun? Denn bei Großunternehmen geht es ja nie nur um das reine Vermögen, sondern auch um die Macht der Steuerung. Und irgendwie muss aus der Masse der Kleinanleger dann ja eine Mehrheit für die Vorstandswahl gebildet werden.
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