Der Staat muss der Bedrohung unserer Grundwerte entgegentreten und den Feinden der Menschenrechte Grenzen setzen

Wir sind nicht überrascht, dass sich jetzt auch auf unseren Straßen und Plätzen offen religiös motivierter Hass und Aufrufe zur Gewalt Bahn brechen. Seit zwei Jahrzehnten berichten wir in unseren Jahrbüchern über Verletzungen der Religionsfreiheit und anderer Menschenrechte weltweit. Wer diese Berichte, Dokumentationen und Analysen kennt, sieht eine Entwicklung, die erwarten lässt, dass die Mitte Europas bald von ihr erfasst sein wird. Niemand wird mehr bestreiten können, dass dies nun geschehen ist. Der religiös motivierte Hass ist bei uns angekommen und er zeigt sich offen. Auf diese Herausforderung hätte unser Staat besser vorbereitet sein müssen. Jeglicher Versuch, den Hass auf unseren Straßen auszuleben, muss abgewehrt werden.

Massaker im Namen der Religion, Entführungen, Vertreibungen, dürfen nicht im Namen der Religion gefeiert oder relativiert werden. Unheilige Allianzen und Waffenbrüderschaften wie die aus Iran, Russland und Nordkorea müssen politisch beantwortet werden. Die von ihnen genährten Kriege, deren Folgen uns inzwischen direkt erreichen, dürfen nicht ignoriert bleiben. Nicht mehr allein der bisher weitgehend ignorierte Terror und das Leiden der Menschen in Staaten wie Afghanistan, Iran, Nigeria, Indien, Pakistan, Syrien, Irak, Türkei oder Aserbaidschan sind Thema. Jetzt entladen sich Gewalt und fanatische Intoleranz, ganz in unserer Nähe. Es geht bereits um die persönliche Sicherheit von Mitbürgern. In aller Öffentlichkeit wird lautstark auf unseren Straßen und Plätzen Hass propagiert. Den gezielten Drohungen sollen Taten folgen, Anschläge auf Synagogen, Wohnungen und Lebensräume von Juden.

Im Stillen dachten bisher Viele, was interessiert uns die Sicht der Anderen? So werden zuerst religiöse Gefühle marginalisiert. Die Gefühle von Opfern, sowie die Motive von Tätern werden nicht erkannt, weil sie aufgrund fehlender Information, vielfach auch aus fehlendem Interesse nicht verstanden werden. Deshalb können sich Falschinformationen, Intoleranz und Hass nahezu ungestört verbreiten. Die Stimmen der Mahner bleiben ungehört.

Relativierung von Antisemitismus aus Bequemlichkeit

Wer Antisemitismus immer nur beim Lieblingsgegner verortet, wird nicht in der Lage sein, den Antisemitismus in den eigenen Reihen zu bekämpfen oder durch pädagogische Arbeit überwinden. Wer den Antisemitismus bestimmter Gruppen durch historische Erzählungen entlastet und damit quasi entschuldigt, kann ihn nicht bekämpfen oder durch pädagogische Arbeit überwinden.

Ein Beispiel: Die Bundeszentrale für politische Bildung hat massiv die These mit Büchern und Web-Beiträgen gestützt, der muslimische Antisemitismus sei durch Kolonialismus importiert. Wer die Augen verschließt und bestimmte Zusammenhänge nicht wissen will, sondern lieber alle Probleme beim politischen Gegner sieht, muss in der Pädagogik versagen.

Starker Staat und demokratische Gesellschaft verteidigen Religionsfreiheit

Die Verbreitung von religiösem Hass und von Falschinformationen geschieht auf allen Ebenen, in Schulen, Universitäten, etablierten Medien, vor allem aber über soziale Medien. Letztere erreichen Menschen, die für den Hass besonders empfänglich sind. Richtigstellungen haben kaum eine Chance Diejenigen zu erreichen, die bereits der Hass-Propaganda erlegen sind. Fanatisierte Gruppen nutzen das konsequent aus.

Das kollektive Versagen von Bildungseinrichtungen und schwachem Staat gegenüber den Propagandisten von Hass und Gewalt zeigt seine Wirkung. Die sofortige Korrektur ist angesagt.

Der deutsche Staat hat bei uns das Gewaltmonopol. Er muss gleichermaßen Religionsfreiheit für freiheitsliebende Muslime garantieren, sowie gewaltbereite Islamisten in die Schranken weisen.

Religionsfreiheit ist nie ohne Anstrengung und Verantwortung zu sichern. Muslime – oder orientalische Christen und Konvertiten vom Islam zum Christentum – müssen vor solchen Muslimen geschützt werden, die man gemeinhin Islamisten nennt. Deren Ziel ist die Abschaffung der Religionsfreiheit und die Gewalt zu rechtfertigten oder sogar sie einsetzten. Religionsfreiheit muss wie jedes andere Menschenrecht nicht nur ermöglicht werden, sondern ausdrücklich auch durch die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols gegen religiöse Extremisten verteidigt werden, die Menschenrechtsverletzungen rechtfertigten, propagieren oder ausüben.

Analysen und Dokumentationen als Wegbereiter von Lösungen

Die quantitative Zunahme und geografische Ausbreitung religiös motivierter Gewalt zeigt sich heute unmittelbar vor unseren Augen. Dieser internationalen Entwicklung wurde bisher nicht entgegengetreten. Die Schaffung von Ämtern – Beauftragte für Religionsfreiheit in Deutschland und in der EU – ist noch keine Zeitenwende, wenn die Arbeit und Vorschläge dieser Institutionen nur für den Aktenschrank bestimmt sind.

Weltweit sind viele Brennpunkte entstanden oder neu inszeniert worden. Weil im Nahen Osten regionale Mächte mit Hilfe Dritter geostrategische Ziele verfolgen, entfaltet aktuell der von Hamas im Namen der Religion entfachte und vom Iran orchestrierte Krieg die größte negative Strahlkraft und bedroht Europa.

Es geht hier nicht um eine Verunglimpfung von Muslimen oder um pauschale Aussagen über eine Religion mit enorm vielen Spielarten. Immerhin sind friedliche Muslime in großen Zahlen Opfer der gewaltbereiten Islamisten. Dies muss berücksichtigt werden, denn auf das Zusammenwirken und das gegenseitige Verständnis Aller, die Religionsfreiheit und andere Menschenrechte achten kommt es an. Dafür bedarf es Wissen, Austausch, Engagement und einen langen Atem.

In diesem Jahrbuch gilt es somit weiterhin, Entwicklungen aus der Distanz, in Vielfalt zu dokumentieren und zu bewerten. Das können wir durch unsere publizistische Arbeit leisten und damit den interessierten Lesern und Entscheidern Orientierung geben, damit sie die Wegbereiter für Lösungsstrategien werden.

Quelle: Thomas Schirrmacher, Martin Lessenthin und Martin Warnecke (Hg.). Jahrbuch Religionsfreiheit 2022/23. Studien zur Religionsfreiheit Bd. 40. Verlag für Kultur und Wissenschaft: Bonn, 2023. S. 13–15.

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