Meine Rezension zum Abdruck, in der ich als Präsident des Internationalen Rates der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte das neue Buch von Rudolf Decker zu Afrika als wegweisend empfiehlt.
Rudolf Decker. Europa und Afrika: Von der Krise zu einer gemeinsamen Zukunft der Nachbarkontinente. Herder: Freiburg, 2017. 240 S. geb. € 19.99 (D), € 20,90 (A), Sfr 26,90. ISBN 978-3-451-37779-2.
Ich sage es gleich vorweg, ich bin kein ganz unvoreingenommener Rezensent. Nicht nur, dass ich Afrika und seine Bewohner von Herzen liebe, ich habe auch Rudolf Decker viel zu verdanken, wie es seine Stärke überhaupt war, aus dem Hintergrund viele andere zu motivieren und an die Arbeit zu stellen und nicht selbst im Mittelpunkt zu stehen. Und wer Rudolf Deckers Freund wird, kann gar nicht anders, als auch ein Freund Afrikas zu werden!
Die Liebe zu Afrika hat Decker dabei vor Jahrzehnten von dem jüngst im Alter von 88 Jahren verstorbenen Dr. Douglas Coe vermittelt bekommen, der ihn zur ersten seiner über hundert Reisen nach Afrika animierte. Wie Coe bei vielen Friedensverhandlungen – wie etwa bei „Camp David“ zwischen Israel und den Ägyptern – die Fäden zog, so hat auch Decker in Afrika streitende Parteien an einen Tisch gebracht und wurde zum Segen, weil er nicht nur die netten und vorzeigbaren Staatsführer Afrikas traf, sondern auch das Gespräch mit den anderen suchte.
Partnerschaft, das ist, was Decker oft initiiert hat und was er nun als ganz großen Wurf zwei Kontinenten nahelegt. Denn das Ziel des Buches ist schlicht und einfach: „Die Afrikanische Union muss ein unverzichtbarer Partner jeder gemeinschaftlichen Entwicklung“ für die europäische Staatengemeinschaft werden (163). Ja, die beiden Kontinente könnten in nahezu jeder Hinsicht kaum unterschiedlicher sein (115). Decker spart auch nicht an Kritik an Afrika, vor allem an einigen Diktatoren, etwa unter der Überschrift „Menschenrechte – ein Drama“ (57). Aber das spricht gerade eher für als gegen eine enge Partnerschaft der Nachbarkontinente. Und es darf die liebenswerten und hoffnungsvoll stimmenden Seiten Afrikas keinesfalls überschatten.
Man merkt dem Buch an, dass es über lange Zeit entstanden ist und jede Aussage wohl abgewogen ist. Das heißt aber nicht, dass Sprache und Inhalt langweilig wären. Ein Beispiel soll genügen. Decker schreibt: „Wenn man ‚Werbung für Zuwanderung‘ bezahlen müsste, würde auf das Fernsehen der Löwenanteil entfallen“, da es im entferntesten afrikanischen Dorf empfangen wird und den europäischen Lebensstil preist (43).
Auch die Empfehlungen sind nicht das Übliche. Wählen wir als Beispiel Chinas Rolle in Afrika. China, so Decker, entwickelt Afrika, was für Afrika eine „Zeitenwende“ (85) bedeutet. 15 Jahre chinesisches Engagement hinterlassen in Afrika, so Decker, wesentlich deutlichere Spuren als ein halbes Jahrhundert westlicher Entwicklungshilfe (86–87). Dabei ist er sich im Klaren, dass dabei auch eine Rolle spielt, dass China von den Präsidenten keine Einhaltung von Menschenrechtsstandards fordert. Zu Recht empfiehlt Decker nun, die Realität anzuerkennen, das heißt eben, dass sich Afrika, China und Europa gemeinsam hinsetzen müssen, zum Besten Afrikas. Auch Russland gehört hier ins Boot, wie Decker überhaupt der Meinung ist, dass Europa gegenüber Autokraten in Afrika und Autokraten, die sich in Afrika engagieren, nicht den Anschluss verlieren darf, sondern durch engagierten Dialog und Einsatz ein eigenes Gewicht bekommen muss.
Decker geht es dabei nicht um Tagträume, sondern um konkretes Anpacken. Auf mehreren Seiten beschreibt Decker „zur Nachahmung empfohlene“ und „missglückte“ Partnerschaftsprojekte (208–212).
Auch eine andere Realität gilt es für Decker anzuerkennen, nämlich, dass Afrika ein sehr religiöser Kontinent ist. An die europäische Adresse gerichtet fragt er: Wer soll heute „tragende Werte“ liefern, wenn nicht Religionen und Weltanschauungen (184)?
Ein Buch, dass nicht nur in die Hand jedes Afrikaliebhabers gehört, sondern in die Hand jedes europäischen Entscheidungsträgers in Politik und Wirtschaft.
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