Im Jahr 2016 schrieb ich den folgenden Text zum 20-jährigen Jubiläum des Weltweiten Gebetstages für verfolgte Christen (International Day of Prayer for the Persecuted Church).

Was haben 20 Jahre des Weltweiten Gebetstags für verfolgte Christen gebracht?

Ein chinesischer Regierungsbeamter hat mir, einem Deutschen, einmal gesagt, dass China befürchtet, aus dem Amt gebetet zu werden, so wie es in Ostdeutschland am Ende des Sowjetreichs geschah! Ja, Gebet und friedliche Aktionen in vielen Kirchen spielten eine große Rolle beim Fall der Berliner Mauer und des Eisernen Vorhangs. Aber zu viele Christen haben sich nach 1990 entspannt zurückgelehnt und gedacht, dass das Zeitalter der Christenverfolgung vorbei sei. Sie hatten die sich verschlimmernden Situationen in großen Ländern wie dem Iran und Pakistan übersehen, vergessen, dass China noch ungebrochen dastand, und ignoriert, dass nicht nur Atheisten, sondern auch fundamentalistische Flügel des Islam, Hinduismus und Buddhismus Christen und Anhänger anderer Religionen diskriminieren und verfolgen. Schließlich beschlossen die Experten für Religionsfreiheit der Weltweiten Evangelischen Allianz, mit Verspätung wieder zum Gebet für leidende Christen in größtmöglichem Umfang zurückzukehren. Ein Sonntag im Jahr für die verfolgte Kirche – das sollte für jede Ortsgemeinde möglich sein!

Auch wenn viel zu viele Kirchen und Christen immer noch nicht an ihre leidenden Schwestern und Brüder in Christus denken, haben Tausende und Abertausende von Gemeinden einmal im Jahr begonnen zu beten. Was war das Ergebnis? Ich sehe drei Früchte von 20 Jahren IDOP.

  1. Mit den Leidenden zu leiden, ist nicht mehr nur etwas für spezielle Organisationen oder Interessengruppen in Gemeinden. Immer mehr ist es zu einem ständigen Interesse für jeden Christen geworden, so wie es nach dem Neuen Testament sein sollte. IDOP, vielleicht mehr als jede andere Initiative, hat das Bewusstsein dafür geschärft, dass Verfolgung keine seltene oder örtlich begrenzte Sache ist, die von Zeit zu Zeit hier und da geschieht, sondern ein ständiger Begleiter, der mit der Predigt des Evangeliums, der Gemeindegründungsarbeit und der Hilfe für Notleidende einhergeht.
  2. IDOP hatte eine verbindende Wirkung. Wenn Menschen leiden oder sogar für Christus sterben, ist es nicht an der Zeit, über unsere Unterschiede zu diskutieren. Im Gebet vereint, erkannten Evangelikale, Pfingstler und andere Christen auch außerhalb unserer Kreise, dass wir alle für den gleichen Erlöser leben und sterben. Inzwischen ist die „Ökumene der Märtyrer“ zu einem wichtigen Thema geworden, das jede Ökumene korrigiert, die auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner aufbauen will.
  3. IDOP hat deutliche Frucht für und Einfluss auf die Politik gehabt. Die Deutsche Evangelische Allianz hat von Anfang an eine deutsche Version von IDOP ins Leben gerufen und die Veranstaltung in den Kirchenkalender Deutschlands aufgenommen. Einige Tage vor dem ersten IDOP zitierte mich die größte deutsche Zeitung in großen Lettern auf der Titelseite. Die Reaktion in der politischen Welt war enorm. Kurz darauf diskutierte unser Bundestag über die Verfolgung von Christen. Wir hatten geplant zu beten, aber Gott hatte viel mehr geplant.

Ich erinnere mich an christliche Mitglieder des südafrikanischen Parlaments, die mich bei Abgeordneten im Deutschen Bundestag besuchten, um herauszufinden, was wir getan hatten, um eine große Gruppe von Parlamentariern zum Thema Verfolgung zusammenzubringen, so dass Debatten über religiöse Verfolgung im Parlament und in der Regierung stattfanden und die Regierung den Kampf für die religiöse Freiheit christlicher und anderer religiöser Minderheiten in ihre Koalitionsverträge aufnahmen. Meine sofortige Reaktion war zu sagen: „Wir haben IDOP gestartet.“ Ja, natürlich wurden viele Christen in Politik, Medien und Kirchen aktiv. Aber der Effekt war weit über das hinaus, was wir getan haben. In 2Chronik 7,14 heißt es:

„[Wenn] mein Volk, welches nach meinem Namen genannt wird, sich demütigt, und sie beten und mein Angesicht suchen, und von ihren bösen Wegen umkehren: so werde ich vom Himmel her hören und ihre Sünden vergeben und ihr Land heilen.“

Das ist unsere einzige wirkliche Hoffnung.

Aber es gibt noch einen breiteren politischen Aspekt. Die IDOP hat sich zur größten regelmäßigen Veranstaltung zur Religionsfreiheit weltweit entwickelt. Neben dem Gebet für Christen hat die IDOP die Notlage von Menschen, die anderen religiösen Gruppen angehören, und von Anhängern nichtreligiöser Weltanschauungen in den betreffenden Ländern hervorgehoben. Sie hat mehr getan, um diese Situation Millionen auf der ganzen Welt bewusst zu machen, als jedes andere Instrument. Obwohl es sich also um einen christlichen Gottesdienst handelt, war der Effekt auch für viele andere Menschen guten Willens positiv. Mehrere Regierungen haben sich des Themas Religionsfreiheit für alle nach jahrelangem Einsatz der IDOP in ihrem Land angenommen, da sie wissen, dass die Problematik nicht verschwinden wird, sondern regelmäßig, immer wieder auftauchen wird.

Wir sind wie Esther, die bereit war, ihr Leben für das gefährdete Volk Gottes einzusetzen. Sie organisierte das Volk Gottes zum Beten, aber dann entschied sich Gott, die Situation selbst zu ändern: „In dieser Nacht konnte der König nicht schlafen“ (Esther 6,1). Gott hat alles, ohne Esther oder sonst jemanden, in einer Nacht verändert. Aber danach wurde Esther wieder gebraucht: Sie ging zurück zum König, erzählte den fehlenden Teil der Geschichte und half, das Volk Gottes zu retten. Gott kann alles ohne uns ändern; wir können nichts ohne Gott ändern. Aber Gott will, dass wir ihn bitten, und dann, wenn er die Dinge ändert, macht er uns zu einem Teil seiner Initiativen.

 

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