Gastfreundschaft in der Bibel

Diese Zusammenstellung aus den Seminarunterlagen des Deutschen Evangelisations­kongresses Stuttgart (1990) habe ich in meinem Archiv gefunden.

1. Die wichtigsten Stellen

  • Jes 58,6–7: „Das ist ein Fasten, das Gott gefällt: … Brich dem Elenden dein Brot und die im Elend ohne Obdach sind, führe in dein Haus“.
  • Röm 12,13: „Trachtet nach Gastfreundschaft!“
  • Hebr 13,2: „Vergesst die Gastfreundschaft nicht, denn dadurch haben einige, ohne es zu wissen, Engel beherbergt“ (vgl. 1Mose 18,1–8; 19,1–3).
  • 1Petr 4,9: „Seid gastfrei gegeneinander ohne zu murren!“
  • 1Tim 3,2; Tit 1,8: Bedingung für das Ältestenamt ist es, „gastfrei“ zu sein.

2. Gastfreundschaft und Haus bzw. Familie

„Haus“ kann im Alten und Neuen Testament sowohl ein Gebäude als auch die Familie be­zeichnen. Durch die Gastfreundschaft wer­den andere Menschen in das Haus, also das Zentrum unseres alltägli­chen Lebens, geholt. In der Fami­lie, im Alltag, in der Ge­meinschaft beim Essen und beim Schlafen in der Nacht bewährt sich un­ser Glaube.

  • Röm 16,5; 1Kor 16,19; Kol 4,15; Phlm 2: „Gemeinde im Haus“ und ähnli­che Formulierun­gen (Die Hausgemeinde ist keine mis­sionarische Vorstufe der Ge­meinde, sondern selbst Ge­meinde.).
  • Apg 20,20: Paulus lehrte „öffentlich und in den Häusern“ (vgl. Apg 5,42).
  • Apg 2,46: „… sie brachen das Brot hin und her in den Häusern …“ Das Abendmahl wurde auch als Teil der häuslichen Mahlzei­ten an der Stelle un­serer heutigen Tischge­bete gefeiert. Das Abendmahl um­rahmte eine Mahlzeit. Nur in Aus­nahmefällen, in denen das Abend­mahl sowieso zu Unrecht gefeiert wurde, möchte Paulus, dass die Ge­meinde vorher essen soll (1Kor 11,20–22). An­sonsten konnte und kann bei jeder Mahlzeit das Abendmahl gefei­ert wer­den, indem vorher das Brot ge­brochen und gedankt wird und an­schließend der Kelch herumgeht, wie dies die Praxis Jesu war.

3. Gastfreundschaft bedeutet Versorgen und Beherbergen

Gutes Beispiel: Hiob 31,31–32: „Wenn die Män­ner in meinem Zelt nicht bezeugen wür­den: ‚Wer wäre wohl nicht von seinem Fleisch satt gewor­den.‘ Der Fremde musste nicht im Freien über­nachten, und dem Wanderer öffnete ich die Tür.“

3.1. mit Nahrung versorgen

Essen bedeutet zugleich Gemeinschaft:

  • Lk 19,1–10: Jesus isst bei dem Zöllner Zachäus.
  • Mt 9,9-13; Mk 2,13-17; Lk 5,27-32: Jesus isst bei dem Zöllner Levi (= Matthäus).
  • Offb 3,20: Essen als Bild für die Gemeinschaft mit Jesus.
  • 1Kor 11,25: „nach dem Mahl“: Das Abendmahl ist Teil einer norma­len Mahlzeit (siehe das oben Gesagte).

3.2. Beherbergen

Z. B. Tit 3,12-14; Phlm 22; Kol 4,10.

Auch in der Ehe kommt die Gemeinschaft in der ‚Gemeinschaft von Tisch und Bett‘ zum Ausdruck, nur dass die Ehe durch einen juristi­schen Akt (‚Bund‘) auf Dauer ange­legt wird und deswegen die Sexua­lität und anderes einbezogen werden darf.

4. Gastfreundschaft geschieht …

4.1. als Ausdruck der Gemeinschaft

Am Ende vieler Opfer im Alten Testament stand eine Mahlzeit, die die wiederherge­stellte Gemein­schaft mit Gott darstellte. 
  • Zef 1,7: Wir sind Gäste“ = „Geladene“ des Herrn.
  • 2Mose 23,9; 1Chr 16,19; Hebr 11,13; Ps 105,12; 1Petr 2,11: Wir alle sind Gäste.       
  • 2Sam 9: Mephiboseth isst an Davids Tisch. Darin kommt Davids „Güte“ zum Aus­druck.     
  • Mt 10,40+9–15; Mk 6,8–11; Lk 9,3–6; Lk 10,3–12: Wer die Jün­ger Jesu aufnimmt, nimmt Jesus auf.       
  • Mt 10,41: „Wer einen Propheten aufnimmt, weil es ein Prophet ist, der wird den Lohn eines Pro­pheten empfangen. Wer einen Ge­rechten auf­nimmt, weil es ein Gerechter ist, der wird den Lohn ei­nes Gerechten empfangen.“

4.2. zur Unterstützung von reisenden Christen

  • Tit 3,12–14; Phlm 22; Kol 4,10; 3Joh 5–8: Mein Lieber, du handelst treu in dem, wie du an den Geschwistern handelst, zumal an Fremden, die deine Liebe vor der Gemeinde be­zeugt haben, und du wirst gut daran tun, wenn du sie weiter­geleitest, wie es vor Gott würdig ist. Denn um seines Namens willen sind sie ausgezo­gen und nehmen [deswegen] nichts von den Heiden. Sol­che sollen wir nun aufnehmen, damit wir Gehilfen der Wahr­heit werden.“

Beispiele:

  • zu Jesus: vgl. die Stellen aus den Evangelien un­ter 3.1., 4.3., 6.
  • zu Paulus: die Stellen aus der Apg unter 6.

4.3. zur Linderung von Not

  • 3Mose 25,35-38: Den Bruder/Fremden unterstüt­zen.

Die vielen Beispiele von Gastfreund­schaft ge­genüber Jesus:

  • Lk 16,19-22: Lazarus.
  • Mt 25,35-40: „Denn ich [= Jesus] bin hungrig ge­wesen, und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen, und ihr habt mich aufgenommen. … Dann werden ihm die Gerechten ant­worten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben? Oder durstig und haben dir zu trinken gegeben? … Und der König wird antwor­ten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen ge­ringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,35+37+40)
  • Lk 10,33-35: Der barmherzige Samariter sorgt für eine Herberge.

4.4. zu evangelistischen und seelsorger­li­chen Zwecken

  • Apg 28,30-31: Beispiel des Paulus (trotz Gefan­genschaft).
  • Apg 18,26: Aquila und Priscilla nehmen Apollos zu sich, um ihn zu belehren.

5. Einschränkungen der Gastfreundschaft

5.0. Ohne Einschränkung

  • Spr 25,21-22: Gilt auch für Feinde: „Hungert dein Feind, so speise ihn …“; vgl. Mt 5,44; 2Mose 23,4–5.
  • Apg 28,30-31: Paulus nahm „alle“ auf.

5.1. Nicht zu oft

  • Spr 25,16–17: „Wenn du Honig gefunden hast, so iss nur, was du brauchst, damit du seiner nicht überdrüssig wirst und ihn aus­speist! Setze deinen Fuß nicht zu oft in das Haus deines Freundes, damit er nicht deiner überdrüssig wird.“

5.2. Nicht zum ‚Durchfressen‘

  • 2Thess 3,6–13: nicht auf Kosten anderer leben: „Wer nicht arbei­ten will, soll auch nicht essen!“ (3,10).
  • 1Tim 5,13: negatives Beispiel von Witwen, die sich bei anderen ‚durchfressen‘, statt den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen oder für eine Fami­lie da zu sein.

5.3. Nicht für unter Gemeindezucht Stehende (Irrlehrer oder schwer Sündigende)

  • 1Kor 5,11: „… mit einem solchen noch nicht ein­mal zu essen …“.
  • 2Joh 10–11: „Wenn jemand zu euch kommt und diese [vorher be­schriebene] Lehre nicht mitbringt, so nehmt ihn nicht in das Haus auf und empfangt ihn nicht! Denn wer ihn empfängt, nimmt an sei­nen bösen Werken teil.“

Vgl. auch ohne Erwähnung der Gastfreundschaft oder des Essens: Röm 16,17; 2Thess 3,6; 2Tim 3,5; Tit 1,11.

6. Weitere biblische Beispiele

  • (1Mose 42,27; 43,21; 2Mose 4,24 sprechen von Herbergen).
  • 2Mose 2,20: Mose bei Jethro.
  • (5Mose 23,4–5: Moab und Ammon werden ver­dammt, weil sie Is­rael kein Brot gaben).
  • Jos 2: Kundschafter bei Rahab.
  • 1Kön 17,10ff: Elia bei der Witwe von Zarpat.
  • 2Kön 4,8ff: Elisa bei der Frau von Schunem.
  • Ps 41,10: Ein Freund bei David (er verrät David aber später).
  • Mt 8,14f; Mk 1,29ff; Lk 4,38+39; Mt 26,6ff; Mk 14,3ff; Joh 12,1f: Jesus im Haus des Petrus, des Simon und des Lazarus.
  • Mt 22,1–14; 25,11–13; Lk 14,15–24: Gleichnis vom Hochzeits­mahl; Einladung aller durch den Gastgeber, also Gott, „von den Hecken und Zäu­nen“.
  • Lk 7,36–50: Jesus ißt bei einem Pharisäer; Sal­bung durch die Sün­derin.
  • Lk 10,38–42: Jesus bei Maria und Martha.
  • Lk 11,5–8: Gleichnis vom bittenden Freund.
  • Joh 4,40: Folge der Bekehrung der Samariterin am Brunnen ist die Bekehrung vieler Samaritaner und deren Einladung an Jesus und seine Jünger.
  • Apg 1,13; 12,12: Die Urgemeinde trifft sich im Obersaal.
  • Apg 9,43; 10,6+18: Petrus bei dem Gerber Si­mon.
  • Apg 10: Petrus bei Kornelius.
  • Apg 14,28; 15,33+35: Paulus bei den Jüngern.
  • Apg 16,14–15+40: Paulus bei Lydia.
  • Apg 16,33: Paulus bei dem Kerkermeister von Philippi.
  • Apg 18,2-4: Paulus bei Aquila und Priscilla.
  • Apg 18,7: Paulus im Haus des Justus.
  • Apg 21,8: Paulus im Haus des Philippus.
  • Apg 28,1-2+7-8: Paulus genießt Gastfreund­schaft auf Melite.

7. Gastfreundschaft ist ein Segen für den Gastgeber

  • Der Gastgeber kann seine Liebe praktisch be­weisen.
  • Er kann neue Menschen kennenlernen.
  • Er kann andere Kulturen kennenlernen, ohne zu reisen.
  • Er kann andere Menschen besser verstehen ler­nen.
  • Er kann alle erkennen lassen, dass er seine Feinde liebt.
  • Er kann andere lehren, seine Feinde zu lieben.
  • Er kann Vertrauen aufbauen.
  • Er kann Freunde gewinnen.
  • Er kann helfen, den Frieden in der Welt zu be­wahren.
  • Er kann das Evangelium im praktischen Leben und zwanglos ver­mitteln.
  • Er kann deutlich machen, dass der Glaube an Je­sus im alltägli­chen, praktischen Le­ben stattfin­det und nicht nur aus schönen Worten be­steht.
  • Er kann seelsorgerlichen Gesprächen das Krampf­hafte nehmen.
  • Er kann seinen Kindern wichtige Wahrheiten ver­mitteln.
  • Er kann seine Kinder von klein auf daran ge­wöhnen, alle Men­schen zu lieben.
  • Er kann sich selbst und anderen Vorurteile ab­gewöhnen.
  • Er lernt teilen und verzichten.
  • Und vieles andere mehr.

Klemens von Rom preist einige Jahre vor 100 v. Chr. im soge­nannten ‚Klemens-Brief‘ die Gast­freundschaft als herausragende christliche Tugend. Als Bei­spiele führt er Abraham, Lot und die Hure Rahab an. Kurz nach 100 n. Chr. wird in der Schrift ‚Apostellehre‘ (‚Didache‘) zur Gast­freundschaft auf­gerufen:

„Jeder, der im Namen des Herrn kommt, soll auf­genommen werden! Dann aber sollt ihr ihn prüfen und euch Kenntnis über ihn verschaffen! Ihr habt ja Einsicht, um rechts und links zu unterscheiden. Wenn der Ankömmling auf der Durchreise ist, helft ihm, soviel ihr könnt! Er soll aber nur zwei oder drei Tage bei euch bleiben, wenn es nötig ist! Wenn er sich aber bei euch niederlassen will, weil er ein Handwerker ist, soll er arbeiten und essen. Hat er aber kein Handwerk, überlegt euch vor­sorglich ge­mäß eurer Einsicht, wie er nicht müßig bei euch bleibe! Wenn er aber nicht so verfahren will, ist er einer, der mit Christus Scha­cher treibt. Hütet euch vor solchen Leuten!“

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