Gastfreundschaft in der Bibel
1. Die wichtigsten Stellen
- Jes 58,6–7: „Das ist ein Fasten, das Gott gefällt: … Brich dem Elenden dein Brot und die im Elend ohne Obdach sind, führe in dein Haus“.
- Röm 12,13: „Trachtet nach Gastfreundschaft!“
- Hebr 13,2: „Vergesst die Gastfreundschaft nicht, denn dadurch haben einige, ohne es zu wissen, Engel beherbergt“ (vgl. 1Mose 18,1–8; 19,1–3).
- 1Petr 4,9: „Seid gastfrei gegeneinander ohne zu murren!“
- 1Tim 3,2; Tit 1,8: Bedingung für das Ältestenamt ist es, „gastfrei“ zu sein.
2. Gastfreundschaft und Haus bzw. Familie
„Haus“ kann im Alten und Neuen Testament sowohl ein Gebäude als auch die Familie bezeichnen. Durch die Gastfreundschaft werden andere Menschen in das Haus, also das Zentrum unseres alltäglichen Lebens, geholt. In der Familie, im Alltag, in der Gemeinschaft beim Essen und beim Schlafen in der Nacht bewährt sich unser Glaube.
- Röm 16,5; 1Kor 16,19; Kol 4,15; Phlm 2: „Gemeinde im Haus“ und ähnliche Formulierungen (Die Hausgemeinde ist keine missionarische Vorstufe der Gemeinde, sondern selbst Gemeinde.).
- Apg 20,20: Paulus lehrte „öffentlich und in den Häusern“ (vgl. Apg 5,42).
- Apg 2,46: „… sie brachen das Brot hin und her in den Häusern …“ Das Abendmahl wurde auch als Teil der häuslichen Mahlzeiten an der Stelle unserer heutigen Tischgebete gefeiert. Das Abendmahl umrahmte eine Mahlzeit. Nur in Ausnahmefällen, in denen das Abendmahl sowieso zu Unrecht gefeiert wurde, möchte Paulus, dass die Gemeinde vorher essen soll (1Kor 11,20–22). Ansonsten konnte und kann bei jeder Mahlzeit das Abendmahl gefeiert werden, indem vorher das Brot gebrochen und gedankt wird und anschließend der Kelch herumgeht, wie dies die Praxis Jesu war.
3. Gastfreundschaft bedeutet Versorgen und Beherbergen
Gutes Beispiel: Hiob 31,31–32: „Wenn die Männer in meinem Zelt nicht bezeugen würden: ‚Wer wäre wohl nicht von seinem Fleisch satt geworden.‘ Der Fremde musste nicht im Freien übernachten, und dem Wanderer öffnete ich die Tür.“
3.1. mit Nahrung versorgen
Essen bedeutet zugleich Gemeinschaft:
- Lk 19,1–10: Jesus isst bei dem Zöllner Zachäus.
- Mt 9,9-13; Mk 2,13-17; Lk 5,27-32: Jesus isst bei dem Zöllner Levi (= Matthäus).
- Offb 3,20: Essen als Bild für die Gemeinschaft mit Jesus.
- 1Kor 11,25: „nach dem Mahl“: Das Abendmahl ist Teil einer normalen Mahlzeit (siehe das oben Gesagte).
3.2. Beherbergen
Z. B. Tit 3,12-14; Phlm 22; Kol 4,10.
Auch in der Ehe kommt die Gemeinschaft in der ‚Gemeinschaft von Tisch und Bett‘ zum Ausdruck, nur dass die Ehe durch einen juristischen Akt (‚Bund‘) auf Dauer angelegt wird und deswegen die Sexualität und anderes einbezogen werden darf.
4. Gastfreundschaft geschieht …
4.1. als Ausdruck der Gemeinschaft
- Zef 1,7: Wir sind „Gäste“ = „Geladene“ des Herrn.
- 2Mose 23,9; 1Chr 16,19; Hebr 11,13; Ps 105,12; 1Petr 2,11: Wir alle sind Gäste.
- 2Sam 9: Mephiboseth isst an Davids Tisch. Darin kommt Davids „Güte“ zum Ausdruck.
- Mt 10,40+9–15; Mk 6,8–11; Lk 9,3–6; Lk 10,3–12: Wer die Jünger Jesu aufnimmt, nimmt Jesus auf.
- Mt 10,41: „Wer einen Propheten aufnimmt, weil es ein Prophet ist, der wird den Lohn eines Propheten empfangen. Wer einen Gerechten aufnimmt, weil es ein Gerechter ist, der wird den Lohn eines Gerechten empfangen.“
4.2. zur Unterstützung von reisenden Christen
- Tit 3,12–14; Phlm 22; Kol 4,10; 3Joh 5–8: „Mein Lieber, du handelst treu in dem, wie du an den Geschwistern handelst, zumal an Fremden, die deine Liebe vor der Gemeinde bezeugt haben, und du wirst gut daran tun, wenn du sie weitergeleitest, wie es vor Gott würdig ist. Denn um seines Namens willen sind sie ausgezogen und nehmen [deswegen] nichts von den Heiden. Solche sollen wir nun aufnehmen, damit wir Gehilfen der Wahrheit werden.“
Beispiele:
- zu Jesus: vgl. die Stellen aus den Evangelien unter 3.1., 4.3., 6.
- zu Paulus: die Stellen aus der Apg unter 6.
4.3. zur Linderung von Not
- 3Mose 25,35-38: Den Bruder/Fremden unterstützen.
Die vielen Beispiele von Gastfreundschaft gegenüber Jesus:
- Lk 16,19-22: Lazarus.
- Mt 25,35-40: „Denn ich [= Jesus] bin hungrig gewesen, und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen, und ihr habt mich aufgenommen. … Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben? Oder durstig und haben dir zu trinken gegeben? … Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,35+37+40)
- Lk 10,33-35: Der barmherzige Samariter sorgt für eine Herberge.
4.4. zu evangelistischen und seelsorgerlichen Zwecken
- Apg 28,30-31: Beispiel des Paulus (trotz Gefangenschaft).
- Apg 18,26: Aquila und Priscilla nehmen Apollos zu sich, um ihn zu belehren.
5. Einschränkungen der Gastfreundschaft
5.0. Ohne Einschränkung
- Spr 25,21-22: Gilt auch für Feinde: „Hungert dein Feind, so speise ihn …“; vgl. Mt 5,44; 2Mose 23,4–5.
- Apg 28,30-31: Paulus nahm „alle“ auf.
5.1. Nicht zu oft
- Spr 25,16–17: „Wenn du Honig gefunden hast, so iss nur, was du brauchst, damit du seiner nicht überdrüssig wirst und ihn ausspeist! Setze deinen Fuß nicht zu oft in das Haus deines Freundes, damit er nicht deiner überdrüssig wird.“
5.2. Nicht zum ‚Durchfressen‘
- 2Thess 3,6–13: nicht auf Kosten anderer leben: „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen!“ (3,10).
- 1Tim 5,13: negatives Beispiel von Witwen, die sich bei anderen ‚durchfressen‘, statt den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen oder für eine Familie da zu sein.
5.3. Nicht für unter Gemeindezucht Stehende (Irrlehrer oder schwer Sündigende)
- 1Kor 5,11: „… mit einem solchen noch nicht einmal zu essen …“.
- 2Joh 10–11: „Wenn jemand zu euch kommt und diese [vorher beschriebene] Lehre nicht mitbringt, so nehmt ihn nicht in das Haus auf und empfangt ihn nicht! Denn wer ihn empfängt, nimmt an seinen bösen Werken teil.“
Vgl. auch ohne Erwähnung der Gastfreundschaft oder des Essens: Röm 16,17; 2Thess 3,6; 2Tim 3,5; Tit 1,11.
6. Weitere biblische Beispiele
- (1Mose 42,27; 43,21; 2Mose 4,24 sprechen von Herbergen).
- 2Mose 2,20: Mose bei Jethro.
- (5Mose 23,4–5: Moab und Ammon werden verdammt, weil sie Israel kein Brot gaben).
- Jos 2: Kundschafter bei Rahab.
- 1Kön 17,10ff: Elia bei der Witwe von Zarpat.
- 2Kön 4,8ff: Elisa bei der Frau von Schunem.
- Ps 41,10: Ein Freund bei David (er verrät David aber später).
- Mt 8,14f; Mk 1,29ff; Lk 4,38+39; Mt 26,6ff; Mk 14,3ff; Joh 12,1f: Jesus im Haus des Petrus, des Simon und des Lazarus.
- Mt 22,1–14; 25,11–13; Lk 14,15–24: Gleichnis vom Hochzeitsmahl; Einladung aller durch den Gastgeber, also Gott, „von den Hecken und Zäunen“.
- Lk 7,36–50: Jesus ißt bei einem Pharisäer; Salbung durch die Sünderin.
- Lk 10,38–42: Jesus bei Maria und Martha.
- Lk 11,5–8: Gleichnis vom bittenden Freund.
- Joh 4,40: Folge der Bekehrung der Samariterin am Brunnen ist die Bekehrung vieler Samaritaner und deren Einladung an Jesus und seine Jünger.
- Apg 1,13; 12,12: Die Urgemeinde trifft sich im Obersaal.
- Apg 9,43; 10,6+18: Petrus bei dem Gerber Simon.
- Apg 10: Petrus bei Kornelius.
- Apg 14,28; 15,33+35: Paulus bei den Jüngern.
- Apg 16,14–15+40: Paulus bei Lydia.
- Apg 16,33: Paulus bei dem Kerkermeister von Philippi.
- Apg 18,2-4: Paulus bei Aquila und Priscilla.
- Apg 18,7: Paulus im Haus des Justus.
- Apg 21,8: Paulus im Haus des Philippus.
- Apg 28,1-2+7-8: Paulus genießt Gastfreundschaft auf Melite.
7. Gastfreundschaft ist ein Segen für den Gastgeber
- Der Gastgeber kann seine Liebe praktisch beweisen.
- Er kann neue Menschen kennenlernen.
- Er kann andere Kulturen kennenlernen, ohne zu reisen.
- Er kann andere Menschen besser verstehen lernen.
- Er kann alle erkennen lassen, dass er seine Feinde liebt.
- Er kann andere lehren, seine Feinde zu lieben.
- Er kann Vertrauen aufbauen.
- Er kann Freunde gewinnen.
- Er kann helfen, den Frieden in der Welt zu bewahren.
- Er kann das Evangelium im praktischen Leben und zwanglos vermitteln.
- Er kann deutlich machen, dass der Glaube an Jesus im alltäglichen, praktischen Leben stattfindet und nicht nur aus schönen Worten besteht.
- Er kann seelsorgerlichen Gesprächen das Krampfhafte nehmen.
- Er kann seinen Kindern wichtige Wahrheiten vermitteln.
- Er kann seine Kinder von klein auf daran gewöhnen, alle Menschen zu lieben.
- Er kann sich selbst und anderen Vorurteile abgewöhnen.
- Er lernt teilen und verzichten.
- Und vieles andere mehr.
Klemens von Rom preist einige Jahre vor 100 v. Chr. im sogenannten ‚Klemens-Brief‘ die Gastfreundschaft als herausragende christliche Tugend. Als Beispiele führt er Abraham, Lot und die Hure Rahab an. Kurz nach 100 n. Chr. wird in der Schrift ‚Apostellehre‘ (‚Didache‘) zur Gastfreundschaft aufgerufen:
„Jeder, der im Namen des Herrn kommt, soll aufgenommen werden! Dann aber sollt ihr ihn prüfen und euch Kenntnis über ihn verschaffen! Ihr habt ja Einsicht, um rechts und links zu unterscheiden. Wenn der Ankömmling auf der Durchreise ist, helft ihm, soviel ihr könnt! Er soll aber nur zwei oder drei Tage bei euch bleiben, wenn es nötig ist! Wenn er sich aber bei euch niederlassen will, weil er ein Handwerker ist, soll er arbeiten und essen. Hat er aber kein Handwerk, überlegt euch vorsorglich gemäß eurer Einsicht, wie er nicht müßig bei euch bleibe! Wenn er aber nicht so verfahren will, ist er einer, der mit Christus Schacher treibt. Hütet euch vor solchen Leuten!“
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