Interview mit Thomas Schirrmacher anlässlich der Vorstellung seines neuen Buches ‚Moderne Väter‘ im tschechischen Sozialministerium
BQ: ‚Moderne Väter‘? Waren die alten Väter nicht gut genug?
Thomas Schirrmacher: Es gab immer schon gute und schlechte Väter. Aber zu keiner Zeit war die Rolle der Väter so undefiniert. Kaum jemand, der Vater wird, geht heute noch mit einer religiös, kulturell oder pädagogisch vorgegebenen Aufgabe ins Rennen. Das bringt viele Nachteile mit sich. Statt aber nur darüber zu jammern, geht es mir darum, dass engagierte Väter auch die neuen Chancen darin sehen und nutzen. Gerade die Freiheit von alten Rollenbildern gibt Vätern heute ganz neue Möglichkeiten, eine enorm positive Aufgabe für die Entwicklung ihrer Kinder zu übernehmen und eine stabile Beziehung zur Mutter pflegen, die gerade von der Unterschiedlichkeit der Geschlechter her lebt.
BQ: Wieso Unterschiedlichkeit? Reicht es nicht, wenn der Vater von Zeit zu Zeit die Mutter bei der Betreuung ablöst?
Nein, Väter können ihre Kinder nur schlecht ‚bemuttern‘. Aber ebenso gilt: Auch die besten Mütter können Väter nicht ersetzen! Lange Zeit hielt die Forschung den Vater als Erzieher für überflüssig, vor allem in den ersten Lebensjahren der Kinder. Dann kam der Ruf, der Mann solle sich gefälligst an der Erziehung praktisch beteiligen, aber eigentlich nur als Kopie der Mutter. War er keine Zweitmutter, galt er als faul. Erst jüngst bricht sich die Erkenntnis Bahn: Der Vater ist anders – und mit seinen ganz anderen Interessen und Vorgehensweisen für seine Kinder unverzichtbar.
BQ: Können Sie dafür praktische Beispiele nennen?
Ja, natürlich, die kann jeder sehen, wenn er Eltern auch nur kurze Zeit beobachtet. Mütter sind stark auf Sicherheit bedacht und das ist gut so. Väter erziehen die Kinder eher zum Risiko, und auch das ist gut so! Väter spielen sehr viel mehr mit Kindern. Früher sah man das oft als Ausflucht vor der Hausarbeit an. Heute weiß man, dass die Kinder hier Unverzichtbares lernen, zum Beispiel kontrolliert Risiken einzugehen oder sich an Regeln zu halten.
BQ: Sie haben das Buch im Czernin Palais in Prag im Beisein des tschechischen Sozialministers und stellvertretenden Premierminister Dr. Petr Necas und des Familienbeauftragten der tschechischen Regierung Dr. Vojt?ch Belling der Öffentlichkeit übergeben. Ist das nicht etwas ungewöhnlich für ein deutsches Buch?
Mag sein, aber da die deutsche Regierung rechts wie links ja gerade auf den Ausverkauf der elterlichen Betreuung zugunsten der Krippen setzt, hätte diese mir sicher eine solche Ehre nicht zuteil werden lassen. Ich setze ja auf eine möglichst intensive Betreuung der Kinder nicht nur durch die Mutter, sondern eben auch durch die Väter. In der Tschechischen Republik ist man von den Erfahrungen mit den Krippen in kommunistischer Zeit ein gebranntes Kind. Deswegen werden Familien mit kleinen Kindern in den ersten Lebensjahren unabhängig von ihrem Einkommen massiv gefördert. Eltern können ihr Geld für den Krippenbesuch einsetzen, werden aber nicht dazu ermutigt, und Krippen dürfen nicht direkt vom Staat bezuschusst werden. Obwohl der Anteil der Frauen in der Arbeitswelt in der Tschechischen Republik wesentlich höher ist als in Deutschland, wählen über 90% der Eltern für die ersten drei Lebensjahre den Weg der Selbstbetreuung!
BQ: Ihr Familieninstitut hat die Eröffnungsvorträge der Konferenz des tschechischen Sozial-, Arbeits- und Familienministeriums „Betreuung der Kleinkinder zwischen Familie und Staat“ übernommen. Wie kommen christliche Ethiker in einem so stark säkularisierten Land dazu?
Mein Kollege Prof. Dr. Thomas Johnson und ich haben beide für unser Institut für Lebens- und Familienwissenschaft die wissenschaftlichen Gründe für den Vorrang für die Betreuung der Kinder durch ihre Eltern vorgetragen. Zudem sind wir beide selbst engagierte moderne Väter, die trotz beruflicher Erfolge der Familie Vorrang vor der Wirtschaft einräumen. Wer als Christ nicht nur kritisiert, sondern sich engagiert und informiert mitdiskutiert, wird oft auch gerne gehört.
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